Stefan Bonner und Anne Weiss
entfernt. Mit dem Router geht’s schneller zum Ziel, wenn man bereit ist, auch etwas fürs Lieben zu löhnen.
Can buy me love – Liebe als Konsumware
Der Frühling ist von jeher die Zeit der Verliebten. Doch so wie sich im Klimawandel die Jahreszeiten verschieben, verändern sich offenbar auch die Gefühle, die damit einhergehen. Im vergangenen April wurde der Liebesklimawechsel besonders deutlich. In unserem Freundeskreis grassierte eine heftige Trennungswelle, die offenbar ansteckend war. Von wegen Frühlingsgefühle: Inner-halb von zwei Wochen gaben sich gleich drei Paare nacheinander den Laufpass. Lukas setzte Stefanie vor die Tür, weil sie jeden Abend vor der Mattscheibe verbrachte; zwei Tage später platzier-te Karina in einer nächtlichen Aufräumaktion Thorstens geliebte Plattensammlung auf dem Rasen vor dem Haus, weil er nie etwas mit ihr unternahm und lieber Computer spielte; und kurz darauf trennten sich auch Markus und Petra, die keine Lust mehr hatten, jeden Abend mindestens fünf Bier zu trinken, nur um ein halbwegs unterhaltsames Gesprächsthema zu finden. Drei Paare – ein Problem: die Interesselosigkeit am Partner artet in Bequemlichkeit aus.
Anstatt über ihre Probleme zu reden, wählten alle die einfache Lö sung und gingen getrennte Wege. Die Generation Doof bekommt Liebe und Kommunikation nicht unter einen Hut, weder in der Beziehung noch danach.
Ebenfalls typisch für uns ist das Gefühl, dass Liebe, Sex und Partnerschaft alltägliche Konsumgüter sind. Verlieben, Zusammenleben, Trennen – automatisch, praktisch, kühl. »Wir haben uns in gegenseitigem Einvernehmen getrennt«, erklärten Markus und Petra; Karina sah bei Thorsten »keine Entwicklung mehr«, und Steffi und Lukas fehlte »die langfristige Perspektive«. Für uns klang das wie eine Pressemitteilung. Das weitere Beziehungs-management unserer Freunde orientierte sich dann auch an der Personalpolitik großer Unternehmen – binnen weniger Wochen hatten die meisten von ihnen neue Begatter und Schmusehäschen eingestellt.
Stefan erzählt:
Sommer 2007. Mein Freund Markus und ich sitzen in unserem Lieb-lingsbiergarten. Markus hat gerade mit Petra Schluss gemacht – nach sieben Jahren glücklicher, aber ein wenig langweiliger Partnerschaft.
Markus sieht jedoch nicht aus wie ein frisches Trennungsopfer. »Vermisst du Petra eigentlich gar nicht?«, frage ich nach einer Weile.
»Nö. Gibt ja schließlich noch genug andere Frauen«, erwidert er
mit leuchtenden Augen und trinkt noch einen Schluck Bier. »Zum
Beispiel Lisa. Ich sag dir, die hat ‘ne Oberweite, dagegen sind die
Alpen ‘ne Blümchenwiese …«
Markus verschlingt eine Handvoll Pommes und redet mamp
fend weiter. »Außerdem ist da noch Jessica. Hab ich am Wochenen
de kennen gelernt, die hat’s echt drauf. Und Andrea sieht auch nicht
schlecht aus, die treff ich morgen Abend.«
Ich bin baff. Markus hat zwar vor seiner Beziehung mit Petra
nie was anbrennen lassen, aber dass er mit Mitte dreißig noch mal
so durchstartet, überrascht mich. Mit meiner monogamen Langzeitbeziehung, Heirat nicht ausgeschlossen, komme ich mir plötz-lich ziemlich bieder vor.
»Das ist ja der Wahnsinn! Wo hast du die denn alle her?«, bringe
ich nur heraus.
»Alter«, stöhnt Markus. »Lebst du eigentlich total hinterm
Mond? Aus dem Internet natürlich!«
»Und warum wollen die alle gleich mit dir in die Kiste?« Das
kommt mir dann doch ein wenig dubios vor.
»Ganz easy. Du musst nur den richtigen Filter setzen.« Wäh-rend ich noch überlege, ob Markus jetzt zum Thema Kaffeekochen
übergegangen ist, fährt er fort: »Du gibst an, wonach du suchst.
Das ist ein bisschen wie Online-Shopping.«
»Und wonach ›filterst‹ du?«
»Na, worauf ich halt abfahre: blond, grüne Augen, gute Figur.«
Markus ist ganz hingerissen von seiner cleveren Methode. »Dann
guck ich mir erst mal die Fotos an und sortier die Hässlichen aus.
Und dann mail ich ihr und frag, ob sie poppen will.«
Markus ist nicht der Einzige, der sich die große Liebe oder den kur zen Wochenendflirt über die DSL-Leitung herunterlädt. Mit der Liebe von heute ist es wie mit Pizza: Die Generation Doof kauft lieber fertige Dinge, anstatt sie selber zu machen. Die scheinbaren Vorteile bei der Partnerwahl per Internet: Sie ist einfacher. Man minimiert das Risiko, enttäuscht zu werden, denn man bekommt in den meisten Fällen das, was man bestellt hat. Und man spart jede Menge von dem Gut, das heutzutage so kostbar geworden ist: Zeit.
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