Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Stefan Bonner und Anne Weiss

Stefan Bonner und Anne Weiss

Titel: Stefan Bonner und Anne Weiss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Generation Doof
Vom Netzwerk:
Schließlich können wir die gewonnenen Stunden wieder zum
Einkaufen und Bummeln nutzen.
Bevor wir uns selbst auf die mühsame Suche nach einem passenden Sex-oder Liebespartner machen, lassen wir lieber jemand
anderen für uns suchen, oder nutzen Veranstaltungen und Ver-kupplungsdienste, bei denen wir aus einem bestehenden Angebot
auswählen können. Ob Dating-Seiten oder organisierte Verabredungen à la »Blind Date Cooking« oder »Blind Date Golfkurs« –
wir greifen ins Regal der Verliebtheit, als ob sich das alles mit einer
einzigen speckigen EC-Karte erledigen lassen könnte.
Aber woher rührt unsere Ausverkaufshaltung in der Liebe? Ganz
einfach: Wir haben schon als Kinder gelernt, dass Gutes seinen
Preis hat und wir gegen Geld alles auf dem Silbertablett präsentiert
bekommen. Kein Wunder, dass wir auf Dating-Makler abfahren,
die uns weismachen wollen, es gebe die große Liebe gegen einen
monatlichen Pauschalbetrag. Zudem prägen Ungeduld und Unrast
unser Verhalten. Wir haben das Gefühl, wir hätten keine Zeit für
eine aufwändige Suche, und werfen daher schnell das Handtuch,
wenn es nicht gleich beim ersten Mal funkt. Oder anders ausge-drückt: Wir sind überfordert. Wir müssen ja nebenbei auch noch
arbeiten, mit der Fusselrolle über den alten Angorapulli gehen, die
Wohnung putzen und CSI: New York schauen. Und wenn sich keiner findet, der uns seine Handynummer freiwillig gibt, um hemmungslosen SMS-Verkehr zu haben, dann soll sich bitte wenigstens
jemand für uns auf die Suche machen, am besten ein Profi. »Hier werden Sie geholfen« und »Vielleicht hätte er/sie jemanden fragen sollen, der sich damit auskennt« – diese Werbebotschaften haben
sich tief in unser Stammhirn eingegraben.
Die Lösung für unsere Probleme scheinen Dating-Seiten im
Internet zu sein. Sie bieten uns eine schnelle und unkomplizierte
Bedürfnisbefriedigung, denn wir können uns den perfekten Lebenspartner nach unseren Wünschen aus dem virtuellen Waren-hausregal aussuchen. Das jedenfalls wird uns vorgegaukelt, und wir
glauben es gerne.
Die modernen Online-Kuppelunternehmen sind idiotensicher
und machen die Partnersuche auch für die Generation Doof zu ei
ner lösbaren Aufgabe. Und so funktioniert Liebe für Dummies:
Wir füllen auf der Dating-Seite einen kurzen Test aus, anhand
dessen dann automatisch unser Persönlichkeitsprofil erstellt wird.
Diese Methode soll wissenschaftlich wirken und uns das beruhigende Gefühl geben, dass alles mit rechten Dingen zugeht. Parship
will beispielsweise wissen, zu was wir uns spontan eher hingezogen
fühlen: zu einem Dreieck oder einem Rechteck. Wir sollen unsere
emotionale Einstellung testen und Fragen zu unserer Zukunftspla-nung beantworten. Unsere möglichen Partner haben ebenfalls ei-nen solchen Test gemacht, und im nächsten Schritt werden die Pro-file abgeglichen. Der Computer stellt fest, wer eine möglichst große
Übereinstimmung mit unserem Persönlichkeitsprofil aufweist. Auf
diese Weise sollen wir den oder die Richtige finden, wenn dessen
Profilneurose zu unserer passt.
Während die Software für uns arbeitet, können wir anonym
bleiben, und dies macht den großen Reiz des Verfahrens aus. Durch
die Distanz, die das Medium aufbaut, ist es besonders leicht, seine
Fantasien, Träume und Wünsche auf den anderen zu projizieren.
Zum Verliebtsein gehört in der Anfangszeit ohnehin eine Idealisie-rung des Partners; der Flirt per Internet verstärkt diese Projektion. Wenn uns die Internetseite nach längerer Berechnungszeit vermeintlich passende »Partnervorschläge« unterbreitet, genügen oft schon kleinste Übereinstimmungen im Persönlichkeitsprofil, um unsere Paarungsfantasien auf Hochtouren zu bringen: »heiter, werte bewusst, einfühlsam« sind Standardangaben im Persönlichkeits-test, ebenso »Ausgehen, Freunde treffen, Hobbys nachgehen«. Das verrät uns im Grunde so gut wie gar nichts über Charakter und Freizeitvertreib des anderen – hat er oder sie aber zufällig das Gleiche angekreuzt wie wir, dann haben wir soeben Kontakt mit unserem potenziellen Traumpartner aufgenommen. Und wer schon mal sehnsüchtig auf die E-Mail eines Unbekannten gewartet hat, weiß, wie prickelnd das sein kann – auch wenn wir nur in unserer Fanta
sie und nach den Algorithmen des Computers zueinander passen. Wie bereits erwähnt, spart die elektronische Balz dem modernen Doofen jede Menge Zeit – und auch Nerven: Wir müssen uns
nicht mehr zwangsläufig aufbrezeln und unsere Abende in lauten
Discos

Weitere Kostenlose Bücher