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Stefan George - Karlauf, T: Stefan George

Stefan George - Karlauf, T: Stefan George

Titel: Stefan George - Karlauf, T: Stefan George Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Karlauf
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hatte anfertigen lassen – in seinem Soldatenrock bei sich trug. 16 Vielleicht war dieser oder jener ja tatsächlich mit den Stern im Tornister ausgezogen. 17 Und sicher war etwas dran an der späteren Behauptung, dass die »sich überstürzenden welt-ereignisse die gemüter auch der weiteren schichten empfänglich gemacht« hätten für die Dichtung Georges. 18 Aber dieser Krieg, das ahnte George früh, würde alle überkommenen Werte in Frage stellen und zu einer Desillusionierung ohnegleichen führen. Die ihn überlebten, kämen ohne jede Orientierung zurück, seelisch zerrüttet, um Jahre gealtert.

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    Den Kult um die deutsche Jugend auf die Spitze treibend, hatte George im Eingang zum Stern des Bundes Maximin als den »geist der heiligen jugend unsres volks« präsentiert. 19 Die Frage, wie dieser Geist unters Volk gebracht werden sollte, führte in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg zu heftigen Auseinandersetzungen im Freundeskreis.
1909/10 bildeten sich zwei konkurrierende Lager: das eine um Friedrich Gundolf, das andere um Friedrich Wolters. »Herrschaft und Dienst« lautete die Formel des einen, »Gefolgschaft und Jüngertum« die prompte Antwort des andern. Hinter den scheinbar deckungsgleichen Formulierungen verbargen sich zwei entgegengesetzte Konzeptionen. George vermied jede Festlegung und trug damit zur Rivalität zwischen den Kontrahenten bei. Aus dem internen Streit über die richtige Propaganda bezog der George-Kreis in diesen Jahren einen Großteil seiner Dynamik. »Solange eine soziale Bewegung es schafft, die Differenz der Beteiligten zu nutzen, ist sie stark.« 20
    Die Auseinandersetzung, wie George der deutschen Jugend zu vermitteln sei, lief im Kern auf einen Streit um die Auslegung seines Werkes hinaus. »Die lehre machen die jünger«, hatte George 1901 in den Blättern verkünd et. 21 Dennoch achtete er darauf, die Deutungshoheit über sein eigenes Werk nicht aus der Hand zu geben. »Für den charismatischen Führer ist es wichtig, dass er das Interpretationsmonopol auch über die Ideologie behält.« 22 George hat das auf seine Weise zum Ausdruck gebracht, als er verfügte: »Auslegung kann falsch sein, aber auslegung muss sein.« 23 Sollten sich die Parteien doch um die richtige Deutung seiner – zum Teil auch ihretwegen – kryptischen Verse mühen. Nach seinem Tod allerdings, so wünschte er es sich, sollte jede Diskussion beendet sein, sobald einer in der Runde den Finger heben und rufen konnte: »Autos epha« – er selbst hat es gesagt.
    George hätte einen offenen Machtkampf zwischen Gundolf und Wolters niemals zugelassen, und schon deshalb waren die Kontrahenten an einem geschlossenen Auftreten nach außen interessiert. Worüber hätten sie sich auch öffentlich auseinandersetzen können? Was sie trennte, hing nur zum Teil mit ihrer unterschiedlichen Sichtweise zusammen. Wolters als katholischer Rheinländer in der Görres-Tradition dürfte radikaler gedacht haben als der Romantiker Gundolf, und als Historiker des französischen 17. und 18. Jahrhunderts setzte er in seinen Arbeiten stärkere politische Akzente als dieser.
Ihre lebenslange Abneigung hatte eine andere Ursache. Sie war vor allem darauf zurückzuführen, dass George den einen über zwanzig Jahre liebte und in dem anderen vor allem einen ihm bedingungslos ergebenen Mitstreiter sah. So brennend der Ehrgeiz von Wolters auch war: Die Intimität, die Gundolf genoss, blieb der Pfahl in seinem Fleisch.
    Im Herbst 1904 war der promovierte Historiker durch seinen Freund Berthold Vallentin George vorgestellt worden. Vallentin und Wolters standen in Niederschönhausen bei Berlin an der Spitze eines akademischen Zirkels, der sich rund um den Extraordinarius am Staatswissenschaftlichen Seminar Kurt Breysig gebildet hatte. Vallentin, der nach juristischer Promotion und Referendarzeit seit 1904 als Gerichtsassessor am Berliner Kammergericht tätig war, hatte George zwei Jahre zuvor bei Breysig kennengelernt. Er war 25, Wolters 28, als sie das erste Mal mit George zusammenkamen. Ihr Alter war der Hauptgrund dafür, dass George sich zunächst nicht besonders für die beiden interessierte. Sie kamen, wie es in der verklausulierten Sprache des Kreises hieß, »etwas zu spät zu George, um noch ganz von Grund auf umgeboren zu werden«. 24
    Nach Max Dessoir, Richard Moritz Meyer und Georg Simmel war der Universalhistoriker Kurt Breysig der vierte Intellektuelle aus dem Mittelbau der Berliner Universität, der an George seine eigene

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