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Stefan George - Karlauf, T: Stefan George

Stefan George - Karlauf, T: Stefan George

Titel: Stefan George - Karlauf, T: Stefan George Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Karlauf
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der Nachgeborenen keine Grenzen gesetzt. Wo die Beglaubigung fehlt, geht die Sehnsucht der Jünger so weit, Begegnungen mit George zu erfinden, nur um sagen zu können, so ist es gewesen und wir waren dabei. Die häretischen Aktivitäten Gotheins und Frommels, aus denen nach dem Krieg die Zeitschrift Castrum Peregrini hervorging, die über Jahrzehnte das Georgesche
Erbe am Leben erhielt, unterstreichen die besonderen Bedingungen, unter denen seine Wirkungsgeschichte von jeher stand.
    Percy Gothein lebte von gelegentlichen Stipendien, unterrichtete 1926 vorübergehend an der Odenwaldschule und war anschließend einige Jahre Assistent am Romanischen Seminar in Bonn, später in Köln. Nach dem Scheitern seiner Habilitation veröffentlichte er seine Studien über den venezianischen Humanisten Francesco Barbaro 1932 als Buch in Frommels Runde -Verlag. Nachdem er ein Jahr nach Georges Tod in ein Ermittlungs- und Strafverfahren nach § 175 StGB verwickelt war, 113 kam es 1937 und 1939 zu weiteren Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Berlin. 114 Gothein war gut beraten, Deutschland zu verlassen. Er hielt sich die meiste Zeit in Italien auf, zunächst in Venedig, später in Florenz. Ende 1943 besuchte er den 1937 emigrierten Frommel in Amsterdam, drei Monate später kam er ein zweites Mal und blieb. In der Nacht vom 25. Juli 1944 wurde er mit einem 17-jährigen Holländer überrascht und verhaftet. 115 Der Junge sprang auf dem Transport nach Deutschland aus dem Zug und konnte sich retten. Percy Gothein wurde über das Konzentrationslager Sachsenhausen ins Konzentrationslager Neuengamme bei Hamburg verbracht. Dort fand er am 22. Dezember 1944 den Tod.
    Im Gedächtnis seiner Freunde lebte er weiter als derjenige, der in einer schwierigen Phase ihrer Beziehung von George entlassen worden war, damit er sich in der Welt bewähre. Percy gleiche einem Menschen, soll George bei ihrem letzten Gespräch gesagt haben, »der zu lange in die Sonne geschaut habe und darum geblendet durch die Straßen taumle. Er habe sich an ihm blind gesehen und darüber den Blick für die Wirklichkeit verloren.« 116 Durch sein konsequentes, aufrechtes Eintreten für den Dichter hatte Percy in den Augen seiner Freunde die Probe bestanden und sich damit als der wahre Erbe Georges erwiesen. Der verworfene Stein war für sie zum Eckstein geworden.

4 Staat – Nation – Reich
    Als Stefan George von Marburg kommend Mitte März 1923 in Heidelberg eintraf, sprach sich bald herum, dass er nicht mehr am Schlossberg wohnte, sondern Wolfsbrunnenweg 12 (heute Molkenkurweg 1). Das sogenannte Haus Schlosspark, die Schwartz’sche Villa oberhalb der Anlagen, war noch prominenter als die Villa Lobstein, schließlich hatte hier schon Kaiserin Elisabeth von Österreich Ferien gemacht. Jetzt wohnte dort ein junger Wirtschaftshistoriker, Ernst Kantorowicz, der ein Jahr zuvor mit einer Arbeit über die muslimischen Handwerkerverbände bei Eberhard Gothein promoviert worden war. Seine Verbindung zu George dürfte über Arthur Salz zustande gekommen sein, der seit 1912 mit Kantorowiczs Schwester Sophie (Soscha) verheiratet war. 1 Im Haus Schlosspark bewohnte er zunächst eine Wohnung im zweiten Stock, später zog er mit Woldemar von Uxkull, der 1919 etwa gleichzeitig mit ihm nach Heidelberg gekommen war und im gleichen Jahr wie er mit einem Plutarch-Thema promoviert wurde, ins Erdgeschoss.
    1895 geboren, aus einer großbürgerlich jüdischen Familie stammend, die seit zwei Generationen eine erfolgreiche Spirituosen- und Likörfabrik in Posen betrieb, hatte Ernst Kantorowicz auf Wunsch des Vaters nach dem Abitur 1913 zunächst eine kaufmännische Lehre in Hamburg angetreten. Bei Kriegsausbruch 1914 meldete er sich als Freiwilliger, am 21. September stand er bei Verdun zum ersten Mal an der Front. Anfang 1917 ließ er sich, dem Beispiel seines Schwagers Salz folgend, in die Türkei abkommandieren; die Kapitulation im November 1918 erlebte er in Berlin. Kantorowicz schloss sich den Freikorpsverbänden an, die in Posen und Westpreußen gegen die drohende Abtretung der Provinzen an die neu gegründete Republik
Polen kämpften. Im Januar 1919 war er bei der Niederschlagung des Spartakusaufstands in Berlin dabei, im Mai bei der Niederschlagung der Münchner Räterepublik. Nachdem er sich im Herbst 1918 in Berlin immatrikuliert und sein Studium im Februar 1919 in München fortgesetzt hatte, bewog ihn wohl Arthur Salz, der zehn Jahre zuvor schon Gundolf nach Heidelberg gelockt hatte,

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