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Stefan George - Karlauf, T: Stefan George

Stefan George - Karlauf, T: Stefan George

Titel: Stefan George - Karlauf, T: Stefan George Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Karlauf
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Berlin verschieben werde. Dann fuhr er nach Freiburg. Von dort teilte er George am 22. mit, er werde voraussichtlich Mittwoch, den 25. Februar, wieder in Berlin sein.
    Der Mittwoch war Kommerells 29. Geburtstag. Am Morgen telegraphierte Anton ans Auswärtige Amt, dass er an der für den nächsten
Tag angesetzten mündlichen Prüfung nicht teilnehmen und stattdessen demnächst ein Gesuch um Entlassung aus dem Dienst einreichen werde. Danach fuhr er hinauf auf den Schauinsland und schrieb einen langen Brief an den Freund: »Was du auch immer hörst – denke dass ich schon im Gleiten war als alles geschah.« 21 Am Abend kehrte er in sein Freiburger Hotel zurück, das gleiche, in dem er und Kommerell bei ihrem letzten glücklichen Zusammensein im Mai gewohnt hatten. »Denke keinen Augenblick, dass ich dir recht gebe«, hieß es im Abschiedsbrief. »Ich verstehe es nur nicht.«
    Am nächsten Tag wurde Johann Anton bewusstlos in seinem Zimmer aufgefunden; im Krankenhaus diagnostizierte man eine schwere Vergiftung durch Schlafmittel. Am 27. Februar starb er. An der Beisetzung drei Tage später nahm neben den engsten Familienangehörigen nur Max Kommerell teil. »Im Grund trifft mein innerster Vorwurf die Regie, die dies gutheißt«, hatte er in seinem bitteren Brief Anfang Dezember über die sektiererischen Tendenzen des Kreises geschrieben. 22 Bei niemand anderem als bei George dürfte er auch die Verantwortung gesucht haben, als er am Montagnachmittag in Freiburg am offenen Grab des Freundes stand.
    George im fernen Berlin ging bei der Todesnachricht ruhelos, gleichmäßigen Schrittes und doch wie rasend in Thormaehlens Atelier auf und ab – »der Anblick war furchterregend«. Und immer wieder murmelte er vor sich hin: »Wie konnte das geschehen, wie durfte das geschehen.« 23

2
    Seinen 60. Geburtstag am 12. Juli 1928 hatte George am Thuner See verbracht. Bis Mitte August war er dort mit Robert von Steiger zusammen gewesen, den er über Wilhelm Stein kennengelernt hatte und der wie dieser aus Bern stammte. »Bern hat jetzt so viel Einwohner wie Athen zur Zeit des Perikles«, meinte Stein etwas pathetisch bei einem gemeinsamen Gang durch die Altstadt. »So viel hatte wohl
auch Chemnitz im Jahre 1860«, konterte George amüsiert. 24 Wenn seine Freunde allzu sehr ins Schwärmen gerieten, ließ er sie gern hart in der Wirklichkeit ankommen. Dabei überkam ihn im Kreis der Jungen und Jüngsten jetzt selber manchmal eine gewisse Rührung. Als Stein und der schwarze Robert – »Robert der Teufel, wie der Meister ihn öfters nannte« – zum ersten Mal nach Solln kamen, wo sich bereits Morwitz, Thormaehlen, Kommerell, der junge Mehnert und andere versammelt hatten, zog er Stein ins Nebenzimmer und flüsterte ihm zu: »Wie die da drüben sich so zueinander verhalten, das ist das einzige, was uns noch interessiert.«
    »Der Jubilar scheint unauffindbar«, schrieb Franz Dülberg am Vorabend von Georges 60. Geburtstag in der der B.Z. am Mittag , der »schnellsten Zeitung der Welt« (Eigenwerbung). »Aber nichts würde hindern, dass er auf weißem Zelter durch das Brandenburger Tor einzöge.« 25 Es gebe in der Literatur der Gegenwart »keinen zweiten Fall von Anonymität bei Weltberühmtheit, der sich hiermit vergleichen ließe«, wunderte sich Ludwig Marcuse in der Morgenausgabe der Kölnischen Zeitung . 26 Bei aller Wertschätzung, die sie seinem Werk und seiner Person an diesem Tag bekundeten, waren sich die meisten Autoren unter dem Strich allerdings einig, dass »die Zeit seiner äußerlichen Wirkung abgelaufen« sei. 27 George habe endgültig seinen Platz »in der Reihe der Ungelesenen« gefunden und stehe dort neben Dichtern wie Opitz, Klopstock oder Platen, »die, wenn überhaupt dann nur durch die Macht der Unterrichtsministerialverordnungen gelesen werden«. 28 Er wage die Prognose, schrieb Willy Hellpach in der Literarischen Welt, »dass dieser Poet und Lebensformer von der Nachwelt nur die Bewunderung einer sehr aparten Kuriosität empfangen wird«. Am Ende seines Beitrags wollte er es aber doch nicht versäumen, sich vor George zu verneigen an dem Tag, »da er in das Lebensjahrzehnt der Vollendung eintritt, die er vielleicht tragischerweise früher gesucht hat, als sie zu finden dem Menschen erlaubt ist«. 29
    Die Literarische Welt hatte unter Schriftstellern und Intellektuellen eine Umfrage veranstaltet, welche Rolle George in ihrer Entwicklung
gespielt habe. Man bat um eine kurze autobiographische Stellungnahme.

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