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Stefan Zweig - Gesammelte Werke

Stefan Zweig - Gesammelte Werke

Titel: Stefan Zweig - Gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Zweig
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Rätselbild betroffen.
    Ein heller Nebel, der von Höhlen bebte,
Floß quellend her in windbewegten Schichten,
Und staunend fühlte ich, daß alles lebte
    In diesen Fluten, daß die lichten, dichten
Dunstschleier sich im Näherspülen teilten
Zu einem Schwärm von seltsamen Gesichten.
    Denn Frauen waren dies, die flügelnd eilten,
Die nackten Arme tänzerisch erhoben.
Und wie sie lärmend auf uns näherpfeilten,
    Sah ich den Sturm in ihren Gliedern toben,
Und wie die lohen Flammen ihrer Haare
Sie in ein rotes Feuernetz verwoben.
    Und immer mehr aufströmten dieser Paare,
Herwerfend sich mit den verbuhlten Hüften,
Als glühe Wollust vieler tausend Jahre
    In einer Stunde aus den rauhen Klüften,
Und wehte Lust aus allen Menschheitszeiten
In Rauch empor zu diesen grauen Lüften.
    Doch manchen war ein ruhevolles Schreiten,
Sie gingen scheu, die Augen tränenblinkend,
Den Weg der wundersamen Traurigkeiten,
    Manchmal aus breitgebauchten Krügen trinkend
Mit jener Gier, die auch die andern hatten,
Dann rücklings wieder in die Trauer sinkend,
    Und in der Augen tiefgehöhlten Schatten
Glomm gleiches Licht, wie es den andern glühte;
Denn Schweigen schien sich hier dem Schrei zu gatten
    Und Lust und Schmerz, die rot’ und dunkle Blüte
Flocht sich zu eins in aller Frauen Gesten –
Verzweiflung, die sich zu verschließen mühte,
    Schlug durch die Glieder, die sich fiebrig preßten,
Und aus dem Jubel stiegen nicht die Schwingen,
Die leuchtend ruhen ob den reinen Festen.
    Nur Taumel trieb mit unsichtbaren Klingen
Sie vorwärts. Und die trunkenen Mänaden
Waren wie jene, die in Wehmut gingen,
    Von einem unnennbaren Leid beladen,
Leid, das ich ahnte, ohne es zu fassen. –
Doch immer heller quollen aus den Schwaden
    Des Nebels weißgeschäumte Frauenmassen,
Und immer schneller wiegten ihre Tänze
Die Schmerzenswollust her an mein Erblassen.
    Verloren war mir aller Sinne Grenze,
Und jäh geschüttert zwischen Lust und Grauen
Vom tiefsten Tal bis an der Sterne Kränze,
    Schrie ich empor: »Wer sind die nackten Frauen,
Mein Meister, Wandrer du durch alle Kreise
Der unbetretnen Welt?« – In seine Brauen
    Schob eine Falte sich. In Priesterweise
Die Hände hebend, die dem Bösen wehren,
Sprach er, sich meinen Lippen neigend, leise:
    »Dies sind die Frauen, die der Qual gehören
Und nicht der Gnade. Denn sie alle kannten
Im Leben nur die Wollust zu betören,
    Und nicht zu lieben. Tausend Herzen brannten
Für ihren Leib, der nun in Brunst sich windet,
Denn Jener warf sie hin zu den Verbannten,
    Dem sich der letzte Sinn des Lebens kündet.
Sie fachten Brände an, die sie nicht hatten,
Nun aber hat die Lust sie selbst entzündet,
    Und peitscht sie fiebernd durch das Tal der Schatten.
Erbarmungslos, wie sie den andern waren,
Sind nun die Lüste, die sich ihnen gatten.
    Ein Nesselfeuer glimmt von ihren Haaren
Und sengt mit Leidenschaft die nackten Lenden,
Daß sie wie toll in alle Winde fahren,
    Doch keine Quelle kann da Kühlung spenden,
Wie sie in ihrer Qual zu hoffen meinten.
Und jene Krüge in den heißen Händen
    Sind voll von Tränen. Die sie einstens weinten,
Waren so torenhaft in ihrem Sehnen,
Daß sie zu Füßen der Verdammten greinten,
    Und in den Krügen glühn nun ihre Tränen,
Geschmolzen in der Liebe Bitternissen. –
Doch jene, die darin die Kühlung wähnen
    Und nicht den Ratschluß ihres Richters wissen,
Beredet Durst, den Becher steil zu schlürfen,
Daß ärger nur, vom scharfen Salz zerrissen,
    Die Lippen dorren und sich brennend schürfen.
Doch neue Hoffnung beugt sie zu dem Rande,
Von dem sie niemals Kühlung hoffen dürfen. –
    So kettet eine unsichtbare Bande
Den Schmerz an Schmerz zu seiner Qualen Stillung,
Verkehrt den Trotz in Glut, den Stolz in Schande.
    Die Not der andern ist für sie Erfüllung!
Sie alle, die zum Spiel die Liebe deuten,
Bestraft so Gott in deutsamer Verhüllung.« –
    Die Stimme stieg, wie frommer Glocken Läuten…
Doch jene Frauen, die uns sprechen hörten
Und sich entflammt der fremden Männer freuten,
    Stoben heran. Entblößte Glieder kehrten
Sich unsern zu, und in erwachtem Schauer
Empfand ich jäh, wie sehr sie uns begehrten.
    Aufschrie die Wollust in der Müden Trauer,
Und selig baute sich aus den versehnten
Blinkenden Frauen eine weiße Mauer
    Schimmernder Leiber, die sich lüstern dehnten.
Wie Rosenfeuer schoß das heiße Schwelen
Im Blute auf. Verwirrte Worte tränten
    Von ihren Lippen, hoch in weißen Kehlen
Zuckte ein Krampf, mit heißen Lichtern flackte
Im Blick der jähe

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