Steh zu dir
nichts mehr von mir hörst. Falls ich nach Prag, Wien oder sonst wohin fliege, lasse ich meinen Computer vielleicht in Paris. Die Veränderung könnte mir guttun. Falls ich Hilfe brauche, rufe ich an.«
»Das rate ich dir. Viel Spaß.« Stevie umarmte Carole zum Abschied.
»Pass auf dich auf, und genieß deine Auszeit«, sagte Carole lächelnd, während ein Flughafenangestellter am First-Class-Schalter ihre Tasche nahm und sie eincheckte. Er musste zweimal hinsehen. Als er sie dann erkannte, begann er zu strahlen.
»Guten Tag, Miss Barber.« Er war sichtlich begeistert, ihr persönlich zu begegnen.
»Guten Tag.« Sie lächelte zurück.
»Sie fliegen nach Paris?«, fragte er und konnte kaum den Blick von ihr wenden. Sie war so schön wie auf der Leinwand, und dazu noch freundlich, warmherzig und real!
»Ja, richtig.« Allein darüber zu reden fühlte sich gut an.
Als würde Paris auf sie warten. Sie winkte Stevie ein letztes Mal zu und verschwand in Jeans und ihrem dunkelgrauen Mantel in Richtung Sicherheitscheck. Unterwegs setzte sie eine dunkle Sonnenbrille auf. Das blonde Haar hatte sie straff zu einem Pferdeschwanz gebunden. Niemand erkannte sie mehr. Sie war nur eine Reisende zwischen anderen, auf dem Weg zu ihrem Flugzeug. Sie flog mit Air France. Selbst nach fünfzehn Jahren war ihr Französisch nicht völlig eingerostet. Im Flugzeug konnte sie damit anfangen, es aufzufrischen.
Die Maschine startete pünktlich vom Flughafen in Los Angeles. Carole las ein Buch, das sie sich für unterwegs eingepackt hatte. Nach der Hälfte der Strecke schlief sie ein und wurde wie vereinbart vierzig Minuten vor der Ankunft von der Stewardess geweckt. Dadurch blieb ihr genügend Zeit, sich ein bisschen frisch zu machen und eine Tasse Vanilletee zu trinken. Beim Landeanflug schaute sie durch das Fenster. Es war ein regnerischer Novembertag in Paris, und beim Anblick dieser Stadt machte ihr Herz vor Freude einen Satz. Sie reiste zurück in die Vergangenheit, und selbst nach all den Jahren fühlte es sich an, als würde sie nach Hause kommen.
2
Die Suite war so schön, wie sie gehofft hatte. Die Stoffe waren aus Seide oder Satin, das gesamte Interieur in Blassblau und gedämpften Goldtönen gehalten. Es gab ein Wohnzimmer und ein Schlafzimmer. Carole stellte ihren Laptop auf dem Louis-Quinze-Schreibtisch ab und schloss ihn an. Dann schickte sie eine E-Mail an Stevie. Sie nutzte die Zeit, während sie auf Croissants und eine Kanne heißes Wasser wartete, um den Vanilletee zuzubereiten. Sicherheitshalber hatte sie einen Drei-Wochen-Vorrat dabei. Im Grunde trug sie Eulen nach Athen, da sie diesen Tee aus Paris bezog. Aber so musste sie sich nicht damit aufhalten, erst einkaufen zu gehen. Das war Stevies Idee gewesen.
Sie schrieb, dass sie gut angekommen und die Suite wunderschön sei und dass es in Paris regne. Dann erwähnte sie noch, dass sie ihren Computer jetzt ausschalten und sich vorerst nicht mehr melden würde. Wenn nötig, würde sie Stevie auf dem Handy anrufen. Sie überlegte kurz, ihre Kinder anzurufen, entschied sich dann jedoch dagegen. Es blieb noch Zeit genug, den beiden davon zu erzählen.
Wahrscheinlich fanden sie es ohnehin sonderbar oder machten sich Sorgen, dass ihre Mutter allein durch Europa spazierte. Immerhin war sie ein wohlhabender und bekannter Star – was Carole gern ignorierte.
Ein Etagenkellner in Livree brachte die Croissants und das Teewasser. Er stellte das Silbertablett auf den Couchtisch, auf dem bereits eine Auswahl an Gebäck, eine Schachtel Pralinen, eine Schale mit Obst und eine Flasche Champagner mit Grüßen vom Hotelmanager standen. Man kümmerte sich wirklich gut um sie. Carole hatte das Ritz schon immer geliebt. Nichts hatte sich hier verändert.
Sie stand an der Balkontür und betrachtete den Place Vendóme bei Regen. Ihr Flugzeug war am Morgen um elf Uhr Ortszeit gelandet. Carole hatte rasch den Zoll passiert und war um halb eins im Hotel gewesen. Jetzt war es eins. Sie hatte den ganzen Nachmittag vor sich, um draußen herumzulaufen und vertraute Plätze aufzusuchen. Noch immer hatte sie keinen blassen Schimmer, wohin sie von hier aus reisen würde, aber für den Augenblick war sie glücklich. Vielleicht würde sie gar nicht weiterfliegen, sondern die ganze Zeit hierbleiben und ihren Aufenthalt in Paris genießen. Besser konnte es ohnehin nicht werden. In ihren Augen war Paris die schönste Stadt der Welt.
Sie packte das wenige aus, was sie mitgenommen hatte, und hängte
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