Steh zu dir
heilen.«
Jason konnte sich nicht im Entferntesten vorstellen, wie er es den Kindern sagen sollte. Aber sie mussten es erfahren und herkommen. Sie hatten das Recht, ihre Mutter zu sehen, und er wusste, dass sie jetzt bei ihr sein wollten. Und wenn Carole starb? Allein der Gedanke war unerträglich.
Er suchte den Blick der Ärztin.
»Sollte sie vielleicht verlegt werden? Gibt es eine Spezialklinik, in der mehr für sie getan werden kann?«
Die Ärztin wirkte gekränkt. »Wir haben alles Menschenmögliche für sie getan, auch bevor wir wussten, wer sie ist. Jetzt müssen wir hoffen, dass ihr Körper stark genug ist.“
»Wurde sie operiert?«
Die Ärztin schüttelte den Kopf. »Wir hielten es für besser, ihren Körper nicht zusätzlich mit einem Eingriff zu belasten. Und die Schwellung ging von allein zurück.« Jason nickte erleichtert. Zumindest hatte man nicht an ihrem Gehirn herumoperiert. Das ließ ihn hoffen, dass Carole eines Tages wieder sie selbst sein würde.
»Wie gehen Sie weiter vor?« Er wollte, dass etwas getan wurde. Nur herumzusitzen war nicht seine Art.
»Wir warten ab. Mehr können wir nicht tun. In ein paar Tagen wissen wir mehr.« Er nickte und sah sich um. Dieses Krankenhaus wirkte auf ihn sehr trostlos. Er hatte vom American Hospital in Paris gehört und fragte sich, ob er sie dahin verlegen lassen konnte. Allerdings hatte ihm der Assistant Manager vom Hotel bereits gesagt, dass die Intensivstation vom Pitié Salpêtrière einen ausgezeichneten Ruf genoss und über alle nötigen Behandlungsmöglichkeiten für Schwerstverletzte verfügte.
»Ich werde ins Hotel fahren und meine Kinder anrufen. Am Nachmittag komme ich wieder her. Sollte irgendetwas sein, können Sie mich im Ritz erreichen.« Sicherheitshalber gab er ihr auch seine internationale Handynummer.
Die Ärztin notierte sich alles auf Caroles Krankenblatt. Jetzt hatte die Patientin einen Namen. Sie besaß einen Ehemann und Kinder. Und sie war eine berühmte Persönlichkeit, was keinesfalls nach draußen durchsickern durfte. Die Ärztin versicherte ihm, dass sie nur dem Chefarzt Caroles richtigen Namen nennen würde. Aber ihnen war klar, dass es dennoch nur eine Frage der Zeit war, bis die Presse Wind davon bekam. Irgendwie gelang ihnen das immer.
»Wir tun unser Bestes«, beruhigte sie ihn noch einmal.
»Heute Nachmittag komme ich wieder her, und … danke für alles, was Sie für sie getan haben.« Sie hatten Carole das Leben gerettet. Er mochte gar nicht daran denken, wie es gewesen wäre, sie in einem Pariser Leichenschauhaus zu identifizieren. Nach allem, was ihm die Ärztin gesagt hatte, wäre das beinahe eingetreten. Letztlich hatte Carole Glück gehabt. »Darf ich sie noch mal sehen?«, fragte er.
Die Ärztin nickte. Dieses Mal ging er allein ins Zimmer.
Die Krankenschwestern waren immer noch dort und traten einen Schritt beiseite, damit er sich an das Bett stellen konnte. Jason betrachtete Carole und strich ihr zärtlich über die Wange. Die leichteren Verbrennungen begannen bereits abzuheilen und waren mit Wundsalbe bestrichen.
»Ich liebe dich, Carole«, flüsterte er. »Du wirst wieder gesund.« Es gab keinerlei Reaktion von ihrem Körper. Wie vertraut ihm ihre zarte Haut doch war! Selbst nach all den Jahren hatte sich das nicht geändert. Ihr Haar lag ausgebreitet wie ein Fächer über dem Kopf. Eine der Schwestern kämmte es gerade behutsam.
Carole zu sehen ließ viele Erinnerungen in ihm aufsteigen, und zwar nur gute. Die schlechten waren vergessen, schon seit langem. Was ihn anging sowieso. Carole und er redeten nie über die Vergangenheit. Sie tauschten sich über die Kinder aus oder über ihr aktuelles Leben. Nach Seans Tod hatte er mit ihr gefühlt. Jason wusste, dass dies für Carole ein schwerer Einschnitt gewesen war. Sie hatte einen Mann geheiratet, der jünger war als sie und trotzdem vor ihr starb. Jason war bei der Beerdigung gewesen, hatte sie und die Kinder unterstützt, soweit er konnte. Und jetzt, zwei Jahre später, rang sie selbst mit dem Tod. Das Leben war manchmal sonderbar – und auch grausam. Aber noch lebte sie, hatte eine Chance. Das war das Beste, was er den Kindern sagen konnte. Trotzdem fürchtete er sich vor diesen Telefonaten. »Ich komme nachher wieder«, flüsterte er Carole zu und drückte ihr zärtlich die Hand. »Du wirst wieder gesund«, sagte er dann entschieden und ging rasch aus dem Zimmer. Er musste jetzt stark sein, für sie, für Anthony und Chloe, gleichgültig, wie er
Weitere Kostenlose Bücher