Steh zu dir
wirkte, und letzte Nacht hatte sie es mit der Kraft einer Flutwelle zu spüren bekommen.
»Dann soll es tatsächlich nie wieder vorkommen. Ich gebe dir mein Ehrenwort«, versprach er. Aber sie wusste ja, was Versprechen bei ihm hießen. Er hielt sie nie. Früher zumindest nicht.
»Was das wert ist, wissen wir ja.« Die Worte rutschten ihr heraus, und sie hörte, wie er die Luft anhielt. »Tut mir leid. War nicht so gemeint.«
»Doch, du hast es so gemeint. Und ich habe es verdient. Wir könnten uns aber darauf einigen, dass mein Wort heute mehr wert ist, als es einmal war.«
»Tut mir leid.« Carole schämte sich für das, was sie gesagt hatte. Sie hatte sich noch nicht wieder so unter Kontrolle wie früher. Dennoch war das keine Entschuldigung, ob er es nun verdient hatte oder nicht.
»Ist schon in Ordnung. Was ist mit unserem Spaziergang? Bist dafür kräftig genug?« Der Schnee der vergangenen Nacht war bereits geschmolzen. Aber es war eisig, und Matthieu wollte nicht, dass sich Carole erkältete. »Du brauchst auf alle Fälle einen warmen Mantel.«
»Ich habe einen … besser gesagt, hatte.« Sie erinnerte sich daran, dass sie ihn im Tunnel getragen hatte. Wie alles andere, was sie bei dem Anschlag am Körper trug, existierte er nicht mehr. »Ich werde mir Stevies Mantel leihen.«
»Wo möchtest du hin?«
»Zur Bagatelle?«
»Gute Idee. Ich kümmere mich darum, dass uns deine Wachen in einem zweiten Wagen folgen.« Matthieu wollte kein Risiko eingehen, was Carole beruhigend fand. Die Kunst bestand darin, das Hotel heimlich zu verlassen. Sie schlug vor, ihn vor dem Crillon zu treffen und dort von ihrem in seinen Wagen umzusteigen.
»Wie in einem Agentenfilm.« Er lächelte, weil es ihm vertraut war. Früher waren sie auch stets vorsichtig gewesen.
»Um wie viel Uhr sollen wir uns treffen?« Sie klang munterer und entspannter als noch vor ein paar Minuten.
Carole versuchte, klare Grenzen mit Matthieu abzustecken.
»Wie wäre es um zwei? Bis dahin habe ich Besprechungen.«
»Dann treffen wir uns um zwei am Crillon. Bevor ich es vergesse: Wie sieht dein Auto überhaupt aus? Ich habe keine Lust, in den falschen Wagen zu steigen.« Er amüsierte sich bei der Vorstellung und war sicher, dass der Fahrer sehr angetan wäre.
»Ich habe einen dunkelblauen Peugeot, trage einen grauen Hut, eine Rose und nur einen Schuh.«
Carole lachte und erinnerte sich plötzlich wieder daran, wie humorvoll er schon immer gewesen war. Sie hatten viel Spaß miteinander gehabt, aber leider auch großen Kummer. Und noch immer ärgerte sie sich darüber, ihn am Vorabend geküsst zu haben. Aber es würde nicht wieder passieren, da war sie sich sicher.
Sie bat Stevie, einen Wagen zu organisieren. Danach aßen sie beide in der Suite zu Mittag. Carole bekam Hühnersuppe und ein Club-Sandwich, das ihr himmlisch gut schmeckte.
»Bist du wirklich schon fit genug für einen Ausflug?«, fragte Stevie besorgt. Carole sah besser aus als am Tag zuvor, aber ein Spaziergang im Park war ein Riesenschritt, und womöglich übernahm sie sich. Stevie wollte nicht, dass Matthieu Carole überanstrengte. Nachdem er am Tag zuvor gegangen war, hatte sie erschöpft und angespannt gewirkt.
»Abwarten, wie ich mich fühle. Wenn ich müde werde, komme ich eben zurück.« Matthieu würde sowieso nicht zulassen, dass das Ganze zu anstrengend wurde Sie lieh sich Stevies Mantel. Gemeinsam gingen sie zu dem Wagen, der in der Rue Cambon auf sie wartete. Carole hatte die Kapuze über den Kopf gezogen und eine dunkle Sonnenbrille aufgesetzt. Sie war angezogen wie am Vortag, nur dass sie dieses Mal zusätzlich einen dicken weißen Pullover trug. Vor dem Eingang warteten zwei Paparazzi, die Fotos von ihr schossen, wie sie in den Wagen stieg Stevie fuhr zwei Blocks mit und ging dann zu Fuß zurück zum Hotel. Die Wachen blieben im Wagen.
Matthieu wartete an der verabredeten Stelle, und Carole schlüpfte unbemerkt von ihrem in seinen Wagen. Niemand war ihnen gefolgt. Als sie neben Matthieu im Auto saß, war Carole leicht außer Atem, und ihr war schwindelig.
»Wie fühlst du dich?«, fragte er besorgt. Als sie ihre Kapuze zurückschob und die Brille abnahm, sah er, wie blass sie immer noch war. Dennoch verschlug ihm ihr Anblick jedes Mal den Atem.
»Ganz gut«, beantwortete sie seine Frage. »Ein bisschen wackelig. Aber es tut gut, mal aus dem Hotel herauszukommen.« Sie wurde es bereits leid, in dem Zimmer gefangen zu sein, und erzählte ihm, dass sie vor
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