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Stehaufmädchen: Wie ich mich nach dem Attentat meines Stiefvaters zur Boxweltmeisterschaft zurückkämpfe (German Edition)

Stehaufmädchen: Wie ich mich nach dem Attentat meines Stiefvaters zur Boxweltmeisterschaft zurückkämpfe (German Edition)

Titel: Stehaufmädchen: Wie ich mich nach dem Attentat meines Stiefvaters zur Boxweltmeisterschaft zurückkämpfe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felicia Englmann , Rola El-Halabi
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bemerkte ich das zunächst gar nicht, weil ich noch mit meinem Anwalt sprach. Nur etwa drei Meter von mir entfernt setzten sie meinen Vater hin, und ich entdeckte ihn erst, als die Fotografen angestürmt kamen und ihre Bilder machten. Während ich gerade realisierte, dass mein Vater da saß, stürzten die Presseleute sich mit den Kameras auch schon auf mich, wurden herausgeschickt, und dann begann die Verhandlung.
    Den Moment des Wiedersehens hatte ich mir ganz anders vorgestellt. Dass mein Vater mit seinem Anwalt einfach so durch die normale Tür kam, das hatte ich nicht erwartet. Ich konnte ihn nicht richtig ansehen. Da ich sowohl Zeugin als auch Nebenklägerin war, hätte ich die ganze Zeit über im Saal bleiben, mir jedes Wort der Verhandlung anhören können. Das wollte ich aber dann doch nicht. Mein Vater sollte ruhig zuerst allein für sich sprechen, ich wollte danach meine Geschichte erzählen. Daher sagte ich, dass ich den Raum nun gerne wieder verlassen würde. Der Richter Thomas Groß fand das gut und meinte, dass das auch in seinem Sinne sei.
    Der Anwalt meines Vaters forderte daraufhin, dass auch Kosta den Raum verlassen sollte, denn Kosta sei ebenfalls Zeuge und dürfe nun nicht mehr dabei sein. Der Richter putzte den Anwalt herunter und wies ihn darauf hin, dass Kosta eigens eingeladen worden war. Kosta und ich nahmen uns dann bei der Hand und verließen gemeinsam den Saal. Wir gingen zwar durch den Hintereingang aus dem Gerichtsgebäude, wurden dort aber trotzdem von Kameras empfangen und verfolgt. Aber damit hatten wir im Grunde schon gerechnet.
    In den drei Stunden, die wir jetzt Zeit hatten, führten wir Bronko aus. Wieder einmal gab der Hund mir Ruhe. Dann war es Zeit für meine Aussage. Diese dauerte fast zwei Stunden. Anfangs fiel es mir unheimlich schwer, diese ganzen doch sehr privaten Dinge in einer großen Runde zu erzählen, doch dann konzentrierte ich mich nur auf den Richter und blendete Anwälte und Zuschauer einfach aus. Am Ende meiner Aussage wollte der Richter wissen, ob ich noch Fragen hätte oder etwas sagen wollte. Dann forderte er mich auf, mich umzudrehen und meinen Vater anzusehen. Das tat ich. Unvermittelt und direkt. Mein Vater konnte meinem Blick nicht standhalten. Er sah sofort weg und begann, sich zu entschuldigen, zu stammeln und zu weinen. Er sagte, dass ihm das alles so leidtue, dass das nicht er gewesen sei, er das nicht gewollt habe und er am liebsten jetzt wieder seine kleine Tochter in den Arm nehmen würde. Das konnte ich nicht ertragen. Ich wandte mich ab, schüttelte meinen Kopf, aber auch mir liefen Tränen über das Gesicht. Dieses Gesülze wollte ich mir nicht anhören. Es war genau das, womit ich gerechnet hatte, und trotzdem traf es mich tief.
    Danach war ich nur noch zwei Mal im Gerichtssaal, einmal für eine weitere Aussage und zur Urteilsverkündung. Den ganzen Prozess hätte ich dann doch nicht ertragen. Kein einziges Mal traute sich mein Vater, mich direkt anzusehen, geschweige denn, mir in die Augen zu blicken. Ich provozierte ihn mit meinen Blicken, aber er wich immer aus. Während der Gerichtsverhandlung zeigten auch andere Menschen ihr wahres Gesicht, da sie sich weigerten, gegen meinen Vater auszusagen. Dass meine Mutter auch unter ihnen war, verletzte mich zutiefst. Wenn in einer solchen Situation nicht einmal die eigene Mutter zu einem steht, ist das eine besonders herbe Enttäuschung. Sie erklärte das, indem sie behauptete, sie würden ihn dadurch nur noch mehr provozieren und mehr Hass auf uns aufbauen und sie wolle mich und Kosta damit schützen. Andere sprachen im Gericht nicht ganz die Wahrheit, so empfand ich es zumindest. Auch von diesen Menschen, die es hätten besser wissen müssen, war ich enttäuscht. Einige, die sich früher im Licht meines Ruhmes gesonnt hatten, tauchten zu der Verhandlung gar nicht erst auf.
    Andererseits trat einer, von dem ich es am allerwenigsten erwartet hätte, mit großer Aufrichtigkeit vor den Richter: der Fotograf Andreas Reiner. Er hatte sich von sich aus bei der Polizei gemeldet, um zu dem Fall auszusagen. Wir hatten seit einem Jahr nicht mehr zusammengearbeitet, daher war ich besonders überrascht, dass er sich meldete. Andreas kenne ich seit 2007. Er machte sich damals als Fotograf in Biberach selbstständig und fragte an, ob er bei meinem Kampf in Sölden Fotos machen könne. Sie gefielen mir und meinem Vater so gut, dass Andreas Reiner unser Exklusivfotograf wurde. Er machte fortan die Bilder für

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