Stehaufmaennchen
spät zum Gratulieren.« Nicht zu spät? Wir haben bald Abend, und bis jetzt hat sich noch keine Sau gemeldet! Aber ist mir egal! Schenke mir etwas Sprudel in ein Glas und gratuliere mir selber. Könnte Platzen vor Glück! Öffne das Fenster und schreie hinaus: »Happy Birthday, Markus!« Keiner antwortet. Schreie lauter. Und noch mal. Bis es klingelt. Bestimmt die alte Sauer von unten, die sich über meine Schreierei beschweren will. Der werd ich den Hals umdrehen, so glücklich bin ich!
In der Tür steht Uschi. Gehe wortlos ins Badezimmer, hole den Lippenstift und drücke ihn ihr in die Hand.
»Das war’s doch, was du wolltest, oder?«
»Nicht ganz.«
Sollte ich mich geirrt haben? Will sie mir tatsächlich noch gratulieren? Uschi druckst rum. Klar, wär mir auch peinlich an ihrer Stelle. Helfe ihr.
»Na komm, spuck’s schon aus.«
»Okay. Könntest du mir mein Rad aufpumpen? Schaff ich nicht alleine.«
»NA KLAR! GERNE! HAB NÄMLICH NIX ZU TUN HEUTE!«
»Was bist du denn heute so gereizt? Ist irgendwas?«
»JA! ICH BIN GLÜCKLICH!«
Stürme mit einer Luftpumpe nach unten auf die Straße und pumpe das Vorderrad von Uschis Fahrrad auf, bis es platzt. Ohne Uschi eines Blickes zu würdigen, gehe ich erhobenen Hauptes wieder ins Haus. Im Treppenhaus sacke ich zusammen und schleiche nach oben. Öffne die Tür zu meiner Wohnung und schaue in zwanzig Gesichter.
»ÜBERRASCHUNG!«
Uschi taucht hinter mir auf und gibt mir einen Kuss. Ich hätte mir doch immer schon eine Überraschungsparty gewünscht. Bin gerührt. Natürlich hätten alle an mich gedacht. Aber irgendwie schien mein Telefon heute gestört zu sein. Murmele irgendwas von »kann sein« und »scheiß Post«.
26. März 1983
Wache gegen Mittag auf. Zu den Schmerzen an meinem Steißbein haben sich Schmerzen in meinem Kopf gesellt. Die Party muss wohl ziemlich gut gewesen sein. Neben mir liegt Uschi. Sie fragt mich, ob ich wirklich überrascht gewesen bin. Überlege einen Moment.
»Eigentlich hab ich damit gerechnet. Und ich hab ja auch Recht behalten.«
Uschi schaut mich einen Moment an. Dann knallt sie mir eine und haut ab. Diesmal nimmt sie ihren Lippenstift mit. Hab ich irgendwie kommen sehen ...
32. Figurprobleme
15. Juli 1983
Betrachte mich nackt im Spiegel und mache mir Sorgen. Es muss was passieren. Hänge den Spiegel quer auf, aber auch jetzt kann ich meinen Penis nicht sehen. Hänge den Spiegel ab und fühle mich geringfügig besser.
16. Juli 1983
Am Nachmittag liege ich am Badesee. Zwei Kinder zeigen auf meinen Bauch und fragen, ob sie mal auf die Hüpfburg dürfen. Kurze Zeit später legt sich eine Kleinfamilie neben mich und bedankt sich für den Schatten. Gehe traurig nach Hause und esse unterwegs aus Frust einen Schokoeisbecher. Der Frust ist sehr groß. Schiebe einen Himbeereisbecher hinterher.
17. Juli 1983
Kaufe mir ein Buch über Diät. Ich lerne jede Menge über Kohlenhydrate, Fette, Eiweiß und die Fallstricke, die eine Diät mit sich bringen kann. Zum Beispiel den Jojoeffekt, der dafür sorgt, dass man nach einer Diät mehr zunimmt, als man während der Diät abgenommen hat. Hätt ich nicht gewusst. Um den Jojoeffekt zu vermeiden, vertraue ich dem Buch und entscheide mich gegen eine Diät.
18. Juli 1983
Peter meint, man muss nicht hungern, wenn man abnehmen will. Man müsse nur seine Essgewohnheiten ändern und einfach aufbestimmte Nahrungsmittel verzichten. Feierlich verkünde ich, die nächsten Monate auf Schnittlauch zu verzichten. Peter meint, das würde nicht ganz reichen. Man müsse auch auf versteckte Fette achten. Das leuchtet ein. Abends esse ich Eisbein. Hier sieht man das Fett sehr deutlich.
20. Juli 1983
Fitnessvideo gekauft. Mit Jane Fonda. Wow! Verdammt sexy! Jane macht darin mit anderen dünnen Frauen in eng anliegenden Turnanzügen Gymnastik und erzählt die ganze Zeit begeistert, wie deren Fett wegschmilzt. Will aber nicht, dass deren Fett noch mehr schmilzt, denn so wie sie sind, sehen sie eigentlich verdammt gut aus. Außerdem soll ja auch mein Fett schmelzen.
21. Juli 1983
Stehe vor dem Spiegel und betrachte mich in meinem neuen Sportdress. Obwohl ich mich bei der Auswahl der Kleidung an der Optik von Janes Trainingsanzug orientiert habe, kann ich keine Ähnlichkeit mit ihr erkennen. Bis auf meine Oberweite. Das kommt schon ziemlich gut hin. Und abgenommen hab ich bestimmt auch schon. Denn ich hab locker dreißig Minuten gebraucht, um mich in die engen Klamotten zu zwängen. Beschließe, dass dies
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