Stehaufmaennchen
fliegt. Komme mir vor wie beim Handballtraining. Nur dass mein Trainer nicht so laut schreien kann wie Mäxchen.
20 Uhr 15
Dritter Anruf bei Mama. Ob ich mal versucht hätte, ihm was vorzusingen, bei mir hätte das auch immer funktioniert. Lege auf und singe Mäxchen laut Cum on feel the Noize von Slade vor. Ein Titel, der, wie ich finde, durchaus zur Situation passt. Mäxchen sieht das anders. Okay, Gesang gehört nicht zu meinen herausragenden Fähigkeiten. Babysitten übrigens auch nicht. Suche in der Plattensammlung nach dem Original. Finde nur John Denver. Das kann ich Mäxchen (und mir) beim besten Willen nicht antun. John Denver erzeugt bestimmt ein frühkindliches Trauma. Finde zum Glück etwas anderes. AC/DC. Lege die Platte auf und spiele laut Highway to Hell an. Das scheint zu funktionieren, denn Mäxchen schreit jetzt zusammen mit Bon Scott um die Wette. Bin nicht sicher, wer von beiden besser singt. Feuere Mäxchen weiter an, indem ich mir den Schnuller in den Mund stecke und headbangend Luftgitarre spiele. Bis die Nachbarn im Raum stehen und sich lauthals über den Lärm beschweren. Schreie meinerseits die Nachbarn zusammen. Wie soll ein Kind schlafen, wenn alle zehn Minuten die Nachbarn auf der Matte stehen? Werfe die Nachbarn raus und schlage diesmal die Tür zu. Mäxchen imitiert gerade stimmlich Angus Youngs Sologitarre. Mit acht Marshall-Türmen. Tausend Watt.
20 Uhr 40
Vierter Anruf bei Mama. Vielleicht hätte das Kind ja ein Häufibäufi. Na klar! Häufibäufi! Dass ich nicht alleine drauf gekommen bin. Lege Mäxchen auf den Küchentisch und packe ihn vorsichtig aus. Wie ein Päckchen. Nur dass man sich nach dem Auspacken eines Päckchens mehr über den Inhalt freut. Mäxchen hat plötzlich zwei weitere Arme bekommen, denn egal, wie ich ihn auch festhalte, er hat immer mindestens einen Arm frei, um sich künstlerisch zu betätigen. Als Maler. Allerdings benutzt er keine Ölfarbe für seine Gemälde.
21 Uhr 05
Die Küche sieht aus wie Picassos Guernica. Bin am Ende. Aber Mäxchen ist wieder sauber. Ich nicht. Meine Kleidung ziert nicht nur Mäxchens Mageninhalt, sondern nun auch das Pendant vom anderen Ende. Mäxchen scheint mit seinem Werk zufrieden zu sein, denn langsam beruhigt er sich. Lege ihn gerade ins Bettchen, als das Telefon geht. Ulla. Ob ich schon vollgeschissen sei. Brülle in den Hörer, dass alles zur besten Zufriedenheit gelaufen wäre, ich keineswegs »vollgeschissen« sei und sie könne sich ihre Süffisanz sonst wohin stecken. Ich bin wohl etwas zu laut, denn Mäxchen fühlt sich durch meine Brüllerei an seine Lieblingsbeschäftigung erinnert. Knalle den Hörer hin und renne ins Schlafzimmer, als es klingelt. Im Vorbeigehen reiß ich die Tür auf und brülle den Nachbarn Beleidigungen an den Kopf, die ich hier nicht wiedergeben möchte. Knalle die Tür zu und stürme ins Schlafzimmer, als Mäxchen augenblicklich verstummt. Was hat er jetzt? Sind seine Sirenen kaputt? Durch das Fiepen in meinen Ohren dringt ein Geräusch. Frank und Ina schließen die Tür auf. Die glücklichen Eltern betreten leise das Schlafzimmer und betrachten liebevoll ihren kleinen Satan. (Muss an Rosemary’s Baby denken.) War doch nicht schwierig, oder? Nein, nein! Und so zufrieden, wie Mäxchen aussieht, hätte er doch bestimmt dieganze Zeit geschlafen. Ja, klar! War überhaupt kein Problem. Womit ich mir denn die Zeit vertrieben hätte. Mit Telefonieren. Ah ja ...
Gehe nach Hause. Stelle mich unter die Dusche, um die Spuren von Mäxchens Ausflug in den Expressionismus loszuwerden. Die Jeans schmeiß ich weg. Kann mir nicht vorstellen, dass irgendeine Chemikalie diesen Geruch jemals wieder rauskriegt. Außer Salzsäure vielleicht. Gehe ins Bett und fasse den Entschluss, in Zukunft krank zu sein, sobald Frank und Ina anrufen. Ich werde stattdessen auf Ulla verweisen und dass sie ja so in Mäxchen verliebt ist und sicher irre erfreut wäre, wenn Frank und Ina sie einmal spontan mit ihrem Sprössling besuchen würden. Vor allem, wenn sie mal wieder krank sei. Zufrieden schlafe ich ein. Boshaftigkeit kann mitunter auch Spaß machen. Hab ich heute gelernt.
Von Mäxchen.
36. Life on stage
30. Juli 1985
Habe morgen Abend einen Auftritt. Mit meiner eigenen Theatergruppe, den »Magic Marabus«. Die »Magic Marabus« existieren seit ungefähr drei Wochen und bestehen aus Klaus, Marcus und mir. Auf den Namen sind wir gekommen, weil »Magic« so geheimnisvoll klingt und »Marabus« laut Klaus ein lustiges
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