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Stehaufmaennchen

Stehaufmaennchen

Titel: Stehaufmaennchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Maria Profitlich
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Wort sei. Wir spielen nämlich Sketche. Ich bin Schauspieler, Fahrer und Roadie. Marcus ist Roadie, Fahrer und Schauspieler. Klaus kümmert sich um das Management. Manchmal wechseln wir uns mit unseren Aufgaben aber auch ab. Zumindest Marcus und ich.
    Klaus ist mächtig stolz, den morgigen Gig an Land gezogen zu haben. (Profis sagen »Gig« statt »Auftritt«) Ein ganz großes Ding, sagt er. Die Betriebsfeier einer großen Firma. In Köln! 85-jähriges Bestehen. Und die wollen es mal richtig krachen lassen. Klaus ist begeistert. Es ist zwar nicht unser erster Auftritt, aber diesmal soll es sogar Gage geben.
31. Juli 1985
    Auf dem Weg nach Köln. Ich sitze am Steuer, Klaus lotst. Das klappt ganz gut, bis wir in Köln sind. Hier verfahren wir uns dermaßen, dass wir fünf Mal den Rhein überqueren. Immer über dieselbe Brücke. Dabei müssen wir höllisch aufpassen, nicht in eine der Radarfallen zu rasen, die auf ihr installiert sind. Schließlich erreichen wir unser Ziel, ein kleines Reihenhaus. Hier sollen wir richtig sein? Marcus fragt, um was für eine Firma es sich denn handele. Klaus meint, das wüsste er nicht mehr sogenau, aber auf jeden Fall würde die Firma ein Jubiläum feiern und eine Firma, die schon seit 85 Jahren besteht, könne nicht klein sein. IKEA zum Beispiel wäre eine riesige Firma und würde erst seit 42 Jahren bestehen. Kann mir nicht vorstellen, dass hinter der Klinkerfassade dieses Reihenhäuschens der Angstgegner von IKEA sitzt. Klaus regelt die Sache, steigt aus und klingelt. Ganz der Manager. Durch das Seitenfenster beobachte ich, wie ein junger Mann öffnet. Klaus unterhält sich angeregt mit ihm. Zwischendurch schaut er immer lächelnd zu uns rüber und hebt den Daumen. Dann schließt der junge Mann die Tür. Klaus kommt aufgeregt ans Auto. Wir seien richtig. Es wäre jetzt nicht direkt ein Firmenjubiläum, aber ein Jubiläum sei es, da hätte er wohl was verwechselt. 85-jährig würde aber stimmen. Mir schwant Übles. Frage, ob es das ist, was ich denke, dass es ist. Klaus nickt stumm, schiebt aber sofort das Argument der Gage hinterher. Ein Argument, das zieht. Marcus und ich steigen aus, um unsere Requisiten auszuladen, als Klaus meint, das bräuchten wir nicht. Bin verblüfft. Was denn? Wir haben Roadies? Geil! Klaus meint, es wäre nicht ganz so. Vielmehr hätte ermit Hilfe des jungen Mannes eine winzige Unstimmigkeit in der Abstimmung seines kleinen Tourneeplanes entdeckt. Der Auftritt sei eigentlich erst morgen. Er hätte nicht daran gedacht, dass der Juli auch 31 Tage hätte, wie der August, da käme er immer durcheinander und wäre deshalb davon ausgegangen, dass heute schon der erste August sei. Klaus mag ein guter Manager sein, aber bis er die Qualitäten eines Ion Tiriac oder Fritz Rau vorweisen kann, muss er noch einen langen, steinigen Weg gehen. Und der Rest der »Magic Marabus« wahrscheinlich auch.

1. August 1985, der echte
    Wieder unterwegs nach Köln. Klaus hat eine Wegbeschreibung vorbereitet. Damit es schneller geht. Es funktioniert. Überqueren nur drei Mal den Rhein, bis wir am Ziel sind. Nach unserer Ankunft erfahren wir von dem jungen Mann, dass es sich bei der Firma, die ihr Jubiläum feiert, um Oma Hedwig handelt. Dieser Umstand wirft gewisse Fragen in Bezug auf den Inhalt unseres Programms auf. Denn eigentlich hatten wir geplant, den lustigen Sketch mit der Oma, die im Altenheim ausrastet und nackt hinter ihren Pflegern herläuft, zu spielen. Die »Magic Marbus« ziehen sich zu einer künstlerischen Beratung zurück.
    Wir denken nach. Geht der Sketch mit der lebenden Mumie? Marcus verneint. Die Jubilarin soll schließlich lachen und nicht an ihre unmittelbare Zukunft erinnert werden. Und der Sketch mit dem verlorenen Bein in Stalingrad? Riskant, laut Auskunft des jungen Mannes, wohl ihr Enkel, hätte Oma Hedwig zwei Weltkriege mitgemacht und ihr Mann sei gefallen. Dann scheidet der Sketch mit dem betrunkenen Erschießungskommando also auch aus. Man will die Kunden ja nicht so vor den Kopf stoßen. Schwierig. Schließlich denken wir uns einen neuen Sketch aus. Ich spiele eine schwangere Frau, die mit ihrem Mann beim Arzt ist und ständig in Ohmacht fällt. Den Rest werden wir improvisieren.
    Wir fragen den jungen Mann, ob wir uns denn die Bühne mal ansehen können. Klar. Der junge Mann führt uns in ein Wohnzimmer. Gigantische sechzehn Quadratmeter gähnen uns an. Vollgestopft mit Gelsenkirchener Barock. Wir sollen aber berücksichtigen, dass nachher noch ein

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