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Steife Prise

Steife Prise

Titel: Steife Prise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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Dabei sah man jedes Mal, wenn die Manschetten seiner eigenen makellos sauberen Jacke ein Stück heraufrutschten, einen Teil der Tätowierungen auf seinen Armen. Glücklicherweise nicht genug, als dass man hätte entziffern können, was sie bedeuteten.
    »Willikins«, fragte Mumm, »was soll das mit den sich zur Wand drehenden Hausmädchen?«
    Willikins lächelte. »Das ist eine alte Sitte. Wie immer gibt es natürlich einen Grund dafür, auch wenn er sich verdammt dumm anhört. Nichts für ungut, Kommandeur, aber so wie ich Euch kenne, würde ich vorschlagen, dass Ihr die Hausmädchen sich wegdrehen lasst, bis Ihr es selbst herausgefunden habt. Außerdem sind Ihre Ladyschaft und Klein-Sam im Kinderzimmer.«
    Kurz darauf betrat Mumm nach etlichen Irr- und Umwegen das, was auf eine etwas eingestaubte Art und Weise ein kleines Paradies war.
    Mumm hatte nie besonders viel Verwandtschaft gehabt. Nicht viele Menschen sind besonders scharf darauf, andere wissen zu lassen, dass einer ihrer entfernten Vorfahren ein Königsmörder war. Das alles war natürlich längst Geschichte, und der Herzog von Ankh staunte darüber, dass die Geschichtsbücher inzwischen das Gedenken an Steingesicht Mumm hochhielten, der als Stadtwachenkommandeur den üblen Tyrannen auf dem Thron hingerichtet und plötzlich eine Lanze für Freiheit und Gerechtigkeit gebrochen hatte. Sam hatte daraus gelernt, dass Geschichte immer das ist, was man daraus macht, und Lord Vetinari war ein Mann, der, wie es der Zufall wollte, den Zugang und die Schlüssel zu einer ganzen Reihe von Überredungsapparaten besaß, die aus der Zeit des Königsmordes übrig geblieben waren und gut geölt in seinem Keller aufbewahrt wurden. Geschichte ist tatsächlich das, was man daraus macht, und Lord Vetinari konnte daraus machen … was er wollte. So kam es, dass der fürchterliche Königsmörder auf wundersame Weise verschwunden war – nie existiert hatte, da müssen Sie sich täuschen, von so jemandem habe ich noch nie gehört – und von dem heldenhaften, leider tragisch missverstandenen Tyrannenmörder Steingesicht Mumm ersetzt wurde, dem berühmten Vorfahren des überaus respektierten Herzogs von Ankh, Seiner Gnaden Kommandeur Sir Samuel Mumm. Geschichte war eine herrliche Sache, sie schäumte wie das Meer, und Mumm wurde von der Flut mitgerissen.
    Mumms Familie hatte immer von der Hand in den Mund gelebt. Sie hatte weder Erbstücke noch Familienjuwelen noch kostbare, von einer längst verstorbenen Tante ausgeführte Ziersticktücher besessen, keine interessanten alten Urnen, die man auf Omas Dachboden fand und von denen man hoffte, dass sie der kluge junge Mann, der so gut über Antiquitäten Bescheid wusste, auf tausend Dollar oder so bezifferte, damit man vor Selbstgefälligkeit fast platzte. Es gab auch überhaupt kein Geld, immer nur eine gewisse Summe unbezahlter Schulden. Hier im Kinderzimmer jedoch stapelten sich fein säuberlich Generationen von Spielen und Spielsachen, von denen einige vom häufigen Gebrauch schon etwas mitgenommen waren. Insbesondere das praktisch lebensgroße Schaukelpferd, das mit einem richtigen Ledersattel und einem Geschirr aus echtem Silber ausgestattet war (wie Mumm ungläubig feststellte, als er mit einem Finger darauf herumrieb). Es gab auch eine Burg, groß genug, dass sich ein Kind hineinstellen und sie verteidigen konnte, dazu eine Anzahl kindgerechter Belagerungswaffen, um sie zu erstürmen, höchstwahrscheinlich mithilfe der vielen, vielen Schachteln voller Zinnsoldaten, die alle mit den korrekten Regimentsfarben und bis ins kleinste Detail bemalt waren. Wenn es nach Mumm gegangen wäre, hätte er selbst auf allen vieren mit ihnen gespielt. Es gab Spielzeugyachten und einen Teddybären, so riesig, dass Mumm ihn im ersten Moment erschrocken für echt hielt; es gab Steinschleudern und Bumerangs und Segelflugzeuge … und mittendrin stand Klein-Sam wie gelähmt und den Tränen nahe, weil er wusste, dass er, egal wie sehr er sich auch anstrengte, auf gar keinen Fall mit all diesen Sachen gleichzeitig spielen konnte. Das alles war sehr weit von Mumms eigener Kindheit entfernt, in der er mit dem Straßenabfall in der Gosse gespielt hatte.
    Während ihr kleiner Augapfel zaghaft in den Sattel des Pferdes stieg, das erschreckend große Zähne hatte, berichtete Mumm seiner Frau von den sich ungehörigerweise wegdrehenden Hausmädchen. Lady Sybil zuckte bloß die Schultern und sagte: »So machen sie das immer, Liebster. Sie sind es nicht

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