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Steife Prise

Steife Prise

Titel: Steife Prise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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voller … nennen wir es Schwung und Elan.«
    Sybil warf einen raschen Blick auf Klein-Sam und stellte erleichtert fest, dass er damit beschäftigt war, kleine Soldaten zu langen Reihen aufzustellen. »Die Hausmädchen hingegen sind, was in der Natur der Sache liegt, nicht so gut erzogen, und ich schäme mich zu sagen, dass sie gegenüber einigen Besuchern, denen sie in jeder Hinsicht gehorchen zu müssen glaubten, womöglich ein wenig zu entgegenkommend waren.« Sie errötete ein wenig und zeigte auf Klein-Sam, der sie glücklicherweise immer noch nicht beachtete. »Du hast doch verstanden, was ich damit sagen will, Sam? Jedenfalls verfügte meine Großmutter, die du garantiert verabscheut hättest, über den nötigen Anstand, sofort zu veranlassen, dass alle Hausmädchen nicht mehr mit den männlichen Gästen reden und auch keinen Augenkontakt mehr mit ihnen haben durften. Bei Zuwiderhandlung wurden sie ohne weiteres entlassen. Das hört sich herzlos an, aber sie wollte ihnen damit nur helfen. Denn auf diese Weise verließen die Hausmädchen Gut Käsedick zur gegebenen Zeit mit guten Referenzen und konnten an ihrem Hochzeitstag ihr weißes Kleid ohne jede Scham tragen.«
    »Aber ich bin doch glücklich verheiratet«, protestierte Mumm. »Und ich kann mir auch nicht vorstellen, dass Willikins den Zorn von Fräulein Reinlich auf sich ziehen möchte.«
    »Na schön, mein Lieber, ich werde diesbezüglich ein Wörtchen mit Frau Silber reden. Aber wir sind hier auf dem Land, Sam. Hier braucht alles etwas länger. Warum gehst du nicht mit Klein-Sam runter zum Fluss? Nimm Willikins mit, der kennt sich gut hier aus.«
    Klein-Sam musste nicht groß unterhalten werden. Er verschaffte sich seine Unterhaltung selbst, und zwar unermüdlich und in großen Mengen: durch seine Beobachtungen der Landschaft, die Geschichten, die ihn am vergangenen Abend in den Schlaf gewiegt hatten, oder auf Grundlage irgendwelcher flüchtiger Gedanken, die ihm gerade in den Sinn kamen. Außerdem redete er immer wieder von einem Herrn Trillerpfeife, der in einem Haus in einem Baum wohnte, aber manchmal auch ein Drache war. Er hatte auch einen großen Stiefel und konnte Mittwoche nicht leiden, weil sie komisch rochen, und er hatte einen Regenschirm.
    Das Landleben beunruhigte Klein-Sam also nicht im Geringsten. Er rannte Mumm und Willikins voraus, zeigte auf Bäume, Schafe, Blumen, Vögel, Libellen, seltsam geformte Wolken und einen menschlichen Schädel. Er war ziemlich beeindruckt von dem Fund und beeilte sich, ihn seinem Papa zu zeigen, der ihn verdutzt anstarrte, als hätte er … einen Menschenschädel gesehen. Das Ding war eindeutig schon ziemlich lange ein Menschenschädel gewesen, und jemand schien sich gut um ihn gekümmert zu haben, denn er sah aus wie frisch poliert.
    Als Mumm ihn in den Händen hin und her drehte und wie ein Kriminaltechniker nach Fremdeinwirkungen suchte, näherte sich plötzlich durch die Büsche ein Flip-Flop-Geräusch, begleitet von einem Liedchen, bei dem es darum ging, was eine ihnen unbekannte Person mit Leuten machen würde, die ihm seine Schädel stehlen wollten. Als sich die Büsche teilten, stellte die ihnen unbekannte Person sich als Mann von zweifelhaftem Alter und noch zweifelhafteren Zähnen heraus, der einen schmutzigen braunen Umhang trug und einen so langen Bart, wie ihn Mumm noch nie gesehen hatte, obwohl er schon des Öfteren in der Unsichtbaren Universität gewesen war. Dort glaubten die Zauberer nämlich, Weisheit komme darin zum Ausdruck, sich einen Bart wachsen zu lassen, der einem die Knie wärmte. Dieser Bart hier wehte wie ein Kometenschweif hinter seinem Besitzer her und holte ihn erst wieder ein, als dessen mit Sandalen bewehrten Füße abrupt stehen blieben. Der Restschwung bewirkte jedoch, dass die Bartmassen sich nun auf dem Kopf des Mannes türmten. Womöglich führte der Bart die Weisheit mit, denn sein Besitzer war schlau genug, sofort zu erstarren, als er den Ausdruck in Mumms Augen sah. Schweigen machte sich breit – zu hören war nur noch das leise Kichern, das Klein-Sam angesichts des gewaltigen Bartes entfuhr, der sich aus freien Stücken wie eine Schneeverwehung auf dem Mann niederließ.
    Willikins räusperte sich und sagte: »Ich glaube, das ist der Einsiedler, Kommandeur.«
    »Was hat denn ein Einsiedler hier zu suchen? Ich dachte, die leben irgendwo auf hohen Stangen in der Wüste!« Mumm sah den zerlumpten Mann finster an, der sofort spürte, dass hier eine Erklärung nötig

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