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Steife Prise

Steife Prise

Titel: Steife Prise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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wächst.« Als sie Mumms Gesichtsausdruck sah, lächelte sie und sagte: »Das stimmt, Liebster. Das Leben auf dem Lande hat sehr viel mit Mist und Dung und dergleichen zu tun.«
    »Solange er später, wenn wir wieder in der Stadt sind, nicht weiter auf allem herumtrampelt, was in der Gosse liegt«, meinte Mumm. »Könnte gut sein, dass der Dreck zurücktritt.«
    »Er soll doch etwas über das Landleben erfahren. Er sollte wissen, wo die Lebensmittel herkommen und wie man sie herstellt. Das ist wichtig, Sam!«
    »Selbstverständlich, Liebes.«
    Lady Sybil warf ihrem Gatten einen Blick zu, wie ihn nur Ehefrauen ihren Ehemännern zuwerfen können. »Das war deine Na-schön-wenn-du-unbedingt-meinst-Stimme, Sam.«
    »Ja, schon, aber ich sehe nicht so recht ein –«
    Sybil unterbrach ihn. »Eines Tages wird Klein-Sam das alles hier gehören, und ich möchte, dass er ein Verständnis dafür entwickelt, so wie ich möchte, dass du dich hier entspannst und deinen Urlaub genießt. Ich nehme Klein-Sam später mit zum Bauernhof, damit er sieht, wie die Kühe gemolken werden, und ein paar Eier können wir dann auch gleich einsammeln.« Sie erhob sich. »Aber zuallererst gehe ich mit ihm in die Gruft, seine Vorfahren besuchen.« Als sie den erschrockenen Gesichtsausdruck ihres Mannes sah, fügte sie rasch hinzu: »Ist schon gut, Sam, sie spazieren dort nicht herum, im Gegenteil, sie liegen ganz still und ruhig in sehr kostspieligen Kisten. Du kannst uns ja begleiten.«
    Samuel Mumm war der Tod nicht fremd, und umgekehrt verhielt es sich ebenso. Nur Selbstmorde machten ihn fertig. Die meisten Leute hängten sich auf – man musste schon ziemlich lebensmüde sein, um in den Ankh zu springen, nicht zuletzt deshalb, weil man mehrere Male abprallte, ehe man die Kruste durchbrach. Aber welche Methode sie auch gewählt hatten, sie mussten alle untersucht werden, falls es sich doch um einen versteckten Mord handelte. 9 Und während Herr Truper, der derzeitige Henker der Stadt, seine Kandidaten so sanft und rasch in die Ewigkeit beförderte, dass sie es wahrscheinlich nicht mal bemerkten, hatte Mumm schon viel zu oft sehen müssen, was Amateure so alles zustande brachten.
    Die Familiengruft der Käsedicks erinnerte ihn an das städtische Leichenschauhaus nach Feierabend. Sie war ziemlich überfüllt, etliche Särge standen sogar auf der Schmalseite, als befänden sie sich in Wartestellung auf einem Regal der Leichenhalle, und man konnte nur hoffen, dass sie nicht herunterrutschten. Mumm sah seiner Frau argwöhnisch dabei zu, wie sie ihren gemeinsamen Sohn von einer Gedenktafel zur anderen führte, ihm die Namen vorlas und ihm zu jedem Insassen etwas erzählte. Rings um sich spürte er den kalten, abgrundtiefen Abgrund der Zeit so deutlich, als würden die nackten Wände ihn ausatmen. Was wohl in Klein-Sam vorging, wenn er die Namen all jener Großväter und Großmütter aus längst vergangenen Jahrhunderten hörte? Mumm hatte nicht einmal seinen Vater gekannt. Seine Mutter behauptete immer, der Mann sei von einem Karren überfahren worden, aber Mumm vermutete, dass es sich – wenn überhaupt – eher um einen Brauereiwagen gehandelt hatte, der ihn Jahr für Jahr immer ein Stückchen mehr »überfahren« hatte. Natürlich gab es noch das Alte Steingesicht, den Königsmörder, der inzwischen rehabilitiert war und in der Stadt mit einer eigenen Statue geehrt wurde. Einer Statue übrigens, die nie bekritzelt wurde, weil Mumm jedem klargemacht hatte, was mit dem Übeltäter passieren würde.
    Aber das Alte Steingesicht war nur ein kleiner Punkt in der Zeit, eine Art wahre Legende. Zwischen ihm und Sam Mumm gab es keine Verbindung, nur einen schmerzhaften Abgrund.
    Trotzdem würde Klein-Sam eines Tages Herzog sein, und es lohnte sich durchaus, diesen Gedanken ein wenig weiterzuspinnen. Er würde nicht aufwachsen und sich fragen, wer er war und woher er kam, denn er würde es wissen, und der Einfluss seiner Mutter mochte den gewaltigen Hemmschuh, Samuel Mumm zum Vater zu haben, durchaus ausgleichen. Klein-Sam würde die Welt aus dem Stand aus den Angeln heben können. Dafür braucht man Selbstvertrauen, und mit einem Haufen (offensichtlich) spinnerter, aber interessanter Vorfahren konnte man die einfachen Leute auf der Straße beeindrucken. Mumm wusste das – er kannte viele Straßen, und er kannte viele Leute.
    Willikins hatte nicht die ganze Wahrheit gesagt. Nicht nur die Landbevölkerung, auch die Stadtbewohner standen auf auffällige

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