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Steife Prise

Steife Prise

Titel: Steife Prise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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Mädchen sprach so, als zöge es die Worte aus einem Regal und stellte sie, nachdem es sie ausgesprochen hatte, sorgfältig wieder zurück. Es hörte sich alles sehr ernst an, zumal aus diesem sonderbar flachen, blassen Gesicht. In gewisser Hinsicht war Tränen-des-Pilzes in ihrem Kleidchen, das wie eine um den Körper gewickelte Schürze aussah, sogar ganz hübsch, wenn auch nicht gerade schön. Mumm fragte sich, wie alt sie sein mochte. Dreizehn? Vielleicht vierzehn? Und er fragte sich, ob die Goblins wohl alle so klug aussehen würden, wenn sie sich etwas Vernünftiges anziehen und diese grässlichen Haare ein bisschen frisieren würden. Die langen Haare des Mädchens waren geflochten und ganz weiß. An diesem Ort sah sie erstaunlicherweise wie ein sehr zerbrechliches Stück Porzellan aus.
    Da er nicht wusste, was er sagen sollte, sagte er einfach: »Freut mich, dich kennenzulernen, Tränen-des-Pilzes.« Mumm streckte ihr die Hand entgegen.
    Das Goblin-Mädchen sah zuerst die Hand und dann ihn an, dann richtete es den Blick auf Fräulein Kefer, die sagte: »Sie geben sich nicht die Hand, Herr Kommandeur. Für ein scheinbar so einfaches Völkchen sind sie erstaunlich kompliziert.« Sie überlegte kurz und fuhr fort: »Es sieht ganz so aus, als hätte die Vorsehung Sie gerade rechtzeitig hierher geführt, um den Mord an Lieblicher-Kontrast aufzuklären, die eine hervorragende Schülerin gewesen ist. Sobald ich davon erfahren habe, bin ich sofort herbeigeeilt, aber die Goblins sind daran gewohnt, dass der Tod unvermittelt und unverdient zuschlägt. Ich begleite Sie zum Eingang, dann muss ich meinen Unterricht fortsetzen.«
    Mumm zog Volker am Ärmel mit, und gemeinsam folgten sie Fräulein Kefer, die ihre Schritte munter in Richtung Erdoberfläche und in Richtung der guten frischen Luft lenkte. Er fragte sich, was aus der Leiche geworden war. Was machten die Goblins überhaupt mit ihren Toten? Begraben, aufessen, einfach auf den Abfall werfen? Oder lag er völlig falsch? Ohne groß darüber nachzudenken, fragte er: »Was bringen Sie ihnen noch bei, Fräulein Kefer? Wie man ein besserer Bürger wird?«
    Die Ohrfeige traf ihn am Kinn, womöglich deshalb, weil Fräulein Kefer bei allem Zorn noch rechtzeitig bemerkte, dass er immer noch seinen Helm aufhatte. Trotzdem war es ein ziemlicher Hieb, und Mumm sah aus dem Winkel seines tränenden Auges, wie Volker einen Schritt zurückwich. Wenigstens der Junge besaß noch ein wenig Menschenverstand.
    »Sie sind wirklich ein Narr der Götter, Kommandeur Mumm! Nein, ich bringe ihnen nicht bei, so zu tun, als seien sie Menschen, ich bringe ihnen bei, Goblins zu sein – kluge Goblins! Wissen Sie, dass sie nur fünf Bezeichnungen für Farben haben? Sogar Trolle kennen an die sechzig, und wenn Sie einen Farbenverkäufer fragen, noch viel mehr! Heißt das nun, dass Goblins dumm sind? Nein, sie kennen unglaublich viele Worte für die Art und Weise, in der Farben changieren, sich verändern, den Übergang von einer Schattierung zur anderen, Worte, auf die noch nicht einmal Dichter gekommen sind. Sie haben einzelne Worte für die allerkompliziertesten Gefühle; ich kenne wohl so an die zweihundert, aber es gibt sicherlich weitaus mehr! Was Sie für Grunzen und Knurren und Fauchen halten, enthält in Wirklichkeit sehr viel Information! Eine Fülle, die einem Eisberg gleicht, Herr Kommandeur! Das meiste davon befindet sich dort, wo man sie weder sehen noch verstehen kann, und ich unterrichte Tränen-des-Pilzes und einige ihrer Freunde, damit sie sich mit Leuten wie Ihnen, die glauben, Goblins seien dumm, unterhalten können. Und wissen Sie was? Es bleibt nicht mehr viel Zeit! Sie werden abgeschlachtet! Selbstverständlich nennt man es nicht so, aber am Ende werden sie abgeschlachtet, weil sie lästig und im Weg sind. Warum fragen Sie nicht Herrn Aufstrich, was mit den anderen Goblins vor drei Jahren passiert ist, Kommandeur Mumm?«
    Damit machte Fräulein Kefer auf dem Absatz kehrt und verschwand im Höhlendunkel; Tränen-des-Pilzes hüpfte hinter ihr her. Mumm musste die letzten paar Meter hinaus ins herrliche Sonnenlicht allein zurücklegen.
    Als Samuel Mumm ins grelle Tageslicht hinaustrat, kam es ihm vor, als würde ihm jemand einen Eisendraht durch den Körper stoßen und dann mit einem Ruck wieder herausziehen. Er konnte gerade noch sein Gleichgewicht halten, und der Junge packte ihn am Arm. Volle Punktzahl, dachte Mumm, dafür, dass er entweder sofort gepeilt hat, was Sache ist,

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