Steife Prise
erstaunlich, woran sich die Leute erinnern.«
»Hmm, schon, allerdings … Aber Sie müssen zugeben, dass sich so was … Wie soll ich mich ausdrücken … In der Erinnerung … äh, festtritt, Fräulein Felizitas Kefer.«
»Sehr gut, Herr Kommandeur, wenn man bedenkt, dass wir uns erst einmal begegnet sind!«
Erst jetzt fiel Mumm auf, dass sie einen Goblin bei sich hatte, der Größe nach zu urteilen einen ganz jungen, der sich vor allem dadurch von den anderen unterschied, dass er Mumm unverwandt mit einem durchdringenden, interessierten Blick ansah. Das war für die Goblins, denen er bislang begegnet war, eher untypisch, von dem widerlichen Stinky einmal abgesehen. Mumm entging nicht, dass Volker derweil jeden Augenkontakt mit dem Fräulein vermied.
»Ich sehe Ihren Namen schließlich mindestens einmal am Tag«, sagte Mumm lächelnd. »Wissen Sie, was mein Junge gestern, als ich ihn ins Bett gebracht habe, gesagt hat? Er sagte: ›Papa, weißt du, warum Kühe große feuchte, schlabbrige Kaka machen, die Pferde aber schöne weiche Knödel, die nach Gras riechen? Ist doch komisch, dass da zwei unterschiedliche Sorten von Kaka rauskommen, obwohl die Tiere ungefähr gleich groß sind und das gleiche Gras fressen, oder, Papa? Also die Kaka-Frau sagt, das liegt daran, dass die Kühe einen Wiederkäuer haben, der hilft ihnen dabei, alles noch mal zu käuern, aber die Pferde, die haben keinen Wiederkäuer, die käuern irgendwie nicht so viel, deshalb ist ihre Kaka noch eher so wie Gras und stinkt auch nicht so sehr.«
Als Mumm sah, dass die Frau grinste, fuhr er fort: »Ich glaube, morgen fragt er seine Mutter, ob er einen Tag sein Essen ganz doll käuern darf und am anderen Tag nur ganz wenig, damit er hinterher überprüfen kann, ob es unterschiedlich riecht. Was halten Sie davon, mein Fräulein?«
Fräulein Kefer lachte. Ihr Lachen klang sehr fröhlich. »Mein lieber Herr Kommandeur, ich würde sagen, dass Ihr Sohn Ihr analytisches Denken mit dem angeborenen Talent der Käsedicks für Experimente kombiniert. Sie müssen sehr stolz auf ihn sein. Das hoffe ich jedenfalls.«
»Darauf können Sie wetten.« Das Kind, das sich halb hinter Fräulein Kefer versteckte, lächelte auch. Es war das erste Mal, dass Mumm einen Goblin lächeln sah. Aber ehe er etwas sagen konnte, richtete Fräulein Kefer einen missbilligenden Blick auf Volker und fuhr fort: »Ich wünschte nur, ich hätte Sie in besserer Gesellschaft angetroffen, Herr Kommandeur. Aber vielleicht können Sie mir wenigstens sagen, wo sich mein Freund Jethro aufhält?«
Volker sah sogar im spärlichen Licht der Lampe richtig zornig aus, aber wenn man in den Gesichtern von Leuten lesen konnte – und Mumm war ein aufmerksamer Gesichterleser –, erkannte man schnell, dass sein Zorn von Scham und Angst durchsetzt war. Dann fiel Mumms Blick auf die kleine Bank, auf der etliche Werkzeuge und noch mehr Bücher mit bunten Einbänden lagen. Von der Straße hatte Mumm gelernt, dass man nervöse Leute manchmal richtig nervös werden lassen musste. Deshalb nahm er sich in aller Ruhe ein Buch, als hätte der schreckliche Austausch an Blicken und Worten kurz zuvor überhaupt nicht stattgefunden, und sagte: »Ach, das ist ja Wo ist meine Kuh? ! Klein-Sam ist ganz verrückt danach. Bringen Sie das den Goblins auch bei, Fräulein Kefer?«
Ohne den Blick von dem aufgewühlten Volker zu nehmen, sagte Fräulein Kefer: »Ja. Wozu es letztendlich auch gut sein mag. Es ist wirklich nicht einfach. Nebenbei bemerkt bin ich eigentlich Frau Kefer. Mein Mann ist im Krieg gegen Klatsch gefallen. Ich habe mich wieder auf ›Fräulein‹ besonnen, weil … hm, weil es mir in der Schule mehr Autorität verleiht. Abgesehen davon hatte ich kaum Zeit, mich an das ›Frau‹ zu gewöhnen.«
»Tut mir leid. Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich nicht so gedankenlos dahergeredet«, erwiderte Mumm.
Fräulein Kefer schenkte ihm ein mattes Lächeln. »Keine Sorge, manchmal kommt man mit gedankenlos einfach weiter.« Der kleine Goblin neben der Lehrerin fragte: »Mit Gedanken los oder mit ohne Gedanken los? Wohin kommt man da?«
»Tränen-des-Pilzes ist meine Musterschülerin. Du bist wirklich was Besonderes, stimmt’s, Tränen-des-Pilzes?«
»Besonders ist gut«, sagte das Goblin-Mädchen, als ließe es sich jedes Wort auf der Zunge zergehen. »Nett ist gut, der Pilz ist gut. Tränen sind weich. Ich bin Tränen-des-Pilzes, so viel ist jetzt klar.«
Es war eine seltsame kleine Rede. Das
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