Steile Welt (German Edition)
wollte. Ab und zu verkaufe ich ein Bild. Aber halt nicht zu einem grossen Preis. Da fehlt mir noch der Name. Ich sage noch, man weiss ja nie. Das Malen ist mir wichtig, und ich werde dranbleiben und habe im Sinn, die eine oder andere Ausstellung zu machen. Auch ist es eine gute Beschäftigung in den Zeiten, wo die Zeit stillzustehen scheint und man sich mit etwas beschäftigen können muss, damit einem die Decke oder die Talmelancholie nicht auf den Kopf fällt. Meine Bilder fangen genau diese unterschiedlichen Stimmungen ein, welche die Einzigartigkeit dieses Tals ausmachen. Ich male nicht abstrakt, sondern sehr realistisch und naturgetreu. Ich habe beispielsweise eine Serie von Landschaften gemalt, die alle den gleichen Ausschnitt zeigen, immer zu einer anderen Jahreszeit, in anderem Licht. Das ist meine Herausforderung. Die verschiedenen Färbungen des Himmels und der Natur festzuhalten. Ich wurde auch schon gefragt, ob ich nach Fotos malen würde. Am Anfang tat ich dies tatsächlich manchmal. Aber es ist nicht das gleiche. Meine Bilder müssen draussen entstehen. Heute behaupte ich sogar, dass ich es einem Bild ansehe, ob es in der Natur oder ab Foto gemalt wurde. Für mich ist das ein Riesenunterschied in der Qualität. Es ist direkter. Ohne Umweg über ein anderes Hilfsmittel. Etwas entsteht genau aus dem Moment heraus. Unmittelbar.
Die zeitweilige Einsamkeit macht mir nichts aus. Ich mag die Zurückgezogenheit und das Alleinsein. Die Versenkung in eine Beschäftigung, ohne abgelenkt zu werden. Das ist hier eben möglich. Ich schätze das sehr. Bei der Arbeit im Laden habe ich ja genügend Betriebsamkeit. Danach bin ich froh, wenn ich mich wieder verkriechen kann.
Durch die Übernahme des Ladens damals kam man natürlich mit den Leuten in Kontakt und lernte so viele Menschen kennen. Auswärtige wie Einheimische. Ich bin ja nicht wirklich ein geselliger Mensch, der die Begegnungen sucht. Aber hier hat sich das dann einfach so ergeben. Von Anfang an empfand ich die Leute hier vom Tal als sehr offen und zugänglich. Ich vermute, dass das daher kommt, dass sie aus eigener Erfahrung oder durch ihre Familiengeschichte selber nur zu gut wissen, wie es ist, als Fremde irgendwo Fuss fassen und ansässig werden zu wollen. Unter ihnen und ihren Verwandten sind ja so viele Auswanderer, welche in der Deutschschweiz oder sogar im Ausland versucht hatten, heimisch zu werden. Sie wissen am besten, wie schwierig das ist. Ich fühlte mich also nie ausgegrenzt oder fehl am Platz. Natürlich hatten andere vor uns bereits Pionierarbeit geleistet. Wir gehörten ja nicht zu den ersten aus der Deutschschweiz, die sich hier ansiedelten. Hier in diesem Dorf waren schon viele vor uns da und haben den Weg für das Verständnis für eine etwas andere Lebensweise oder -auffassung bereits geebnet. Man hatte sich nun schon an die capeloni, die Langhaarigen, wie wir von den Ansässigen genannt wurden, gewöhnt und sich mit ihnen arrangiert. Wir waren halt einfach eine neue Familie mehr.
Eine Zeit lang engagierte ich mich sehr für die Anliegen hier im Tal. Politisch und gesellschaftlich. Half überall und mischte mit. Bis ich dann merkte, dass ich, so fest ich mich auch immer anstrengen würde, immer ein Auswärtiger bleiben würde, ob ich das nun akzeptierte oder nicht. Ich habe mich nach dieser Erkenntnis nicht weniger angestrengt. Aber mein Einsatz entsprang dann einer anderen Motivation. Meine Wurzeln sind eben nicht hier. Ich bin ein Deutschschweizer, und ich habe gelernt, dazu zu stehen. Zwar fühle ich mich nicht fremd hier, aber um wirklich mit dem Tal verbunden zu sein, muss man wohl hier geboren sein. Meine Verbindung ist eine andere. Ich werde immer mehr Distanz dazu haben und gewisse Dinge von aussen betrachten können. Vielleicht ist das ja sogar manchmal ein Vorteil. Nicht so fest involviert zu sein. Und sich deshalb oft auch nicht so sehr mit gewissem Zeug identifizieren zu müssen. So ist meine Meinung dann vielleicht sogar etwas sachlicher, weil ich halt mit einem gewissen Abstand an eine Sache herangehe. Und so bin und bleibe ich eben immer ein wenig der Andersdenkende.
Kommt noch dazu, dass ich überhaupt nicht der Beizengänger bin. Und das müsste ich sein, wenn ich in diese eingeschworene Männergesellschaft des Tals integriert werden wollte. Mich mit an den Stammtisch setzen, trinken, vielleicht Karten spielen und lautstark mitmischen. Aber eben. Das ist nicht so meine Sache, ich bin nicht der Typ dafür, und so, wie
Weitere Kostenlose Bücher