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Steile Welt (German Edition)

Steile Welt (German Edition)

Titel: Steile Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stef Stauffer
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in dieser Zeit der Suche hierher ein. Zu sich zu Besuch natürlich einfach mal. Dass er uns aber für diesen Flecken hier begeistern wollte, war bald einmal klar. An unsere Ankunft erinnere ich mich noch gut. Wir stiegen aus dem Postauto, noch ganz benommen und beeindruckt von der kurvenreichen Fahrt. Wir stellten unsere schweren Rucksäcke und die Kinder ab und atmeten erst einmal tief durch. Es war ein sonniger Nachmittag, und viele Leute sassen draussen an der Wärme auf der Piazza. Aus einem der Häuser erklang fröhliche Musik, und irgendwo hockten ein paar Junge beisammen und rauchten etwas, das ziemlich verboten roch. Es schien hier ziemlich cool und locker zu und her zu gehen. Das Leben verhiess leicht zu sein, im Sommer sowieso. Das gefiel uns schon mal recht gut. Wir blieben dann ein paar Tage und lernten mehrere andere Deutschschweizer kennen, welche hier sesshaft geworden waren. Auffällig waren die vielen Kinder. Das gab dann letztlich wohl den Ausschlag. Denn unsere Kinder sollten ja in einer Gemeinschaft aufwachsen, inmitten von anderen Gleichaltrigen. Zusammen die Schule besuchen und ihre freie Zeit verbringen. Diese Voraussetzung war also gegeben. Und die Aussicht auf ein Leben etwas weg von den gängigen Schweizer Normen. Es war halt eine Zeit, in der viele nach alternativen Formen suchten, etwas abseits der gesellschaftlichen Zwänge. Hier, so sahen wir, wären wir mit unserer Gesinnung sicher nicht allein. Uns wurde bald darauf ein Haus zum Kauf angeboten. So fügte sich eins zum anderen. Wir griffen zu. Freunde beteiligten sich, und so war es leistbar. Wir schafften uns hier ein neues Zuhause und waren überzeugt davon, hier als Familie glücklich werden zu können.»
    Man sieht sie direkt vor sich, diese bunte Schar barfüssiger Kinder, deren Spielplatz Wiese und Wald sind und die wissen, wo das Spielen zu gefährlich ist. Die des Winters Schafwolle statt Faser pelz tragen und statt einer Frisur eine Massage verpasst bekommen. Kinder, für die gesund gekocht wird, die vor Kunststoff und Konsum bewahrt bleiben. Nicht einmal ihre Musik kommt aus der Konserve. Auch die ist handgemacht und frisch, genau wie die Luft, die sie umgibt. Eine Kindheit voller Naturnähe und Freiheiten, wo Spinnen erlaubt, Individualität und Unabhängigkeit ein Muss ist. Eine Kindheit inmitten neu geschaffener Konventionen, die erst Jahre später als solche erkannt und überwunden werden wollen. Zurück bleiben Eltern, gekleidet immer noch in gewobenem Stoff, aus dem die einstigen Träume waren, die einmal als Blusen, Taschen, Kittel, Tücher oder Gilets auf dem Dorfplatz im Sommerwind flatterten.
    «Meine Frau verkaufte ihre gewobenen Artikel am Anfang an einem Stand hier auf der Piazza. Sie sass am Spinnrad und machte so die beste Werbung für ihre Waren. Nach ein paar Jahren lief dieses Geschäft recht gut. Ich selber verdiente Geld mit Heimarbeit, half aber auch den Bauern beim Heuen oder mit den Kühen. Aber ich bin eher nicht der Bauerntyp. Hatte früher zwar auch schon eigene Milchschafe und Mutterkühe, aber das ist nicht meine Stärke. Darum schafften wir uns keine eigenen Tiere an. Davon gab es ja zu der Zeit hier genügend und Arbeit damit auch. Da konnte man sich beteiligen und unterstützen, ohne aber selber verantwortlich sein zu müssen.
    Nach ein paar Jahren konnte ich den Laden übernehmen. Das war genau die richtige Aufgabe für mich, dachte ich. Das hat sich ja auch bewahrheitet, denn schliesslich führe ich ihn heute immer noch. Mir war dabei immer wichtig, möglichst die Produkte, die in der näheren Umgebung hergestellt werden, zu verkaufen, auch um die hiesigen Produzenten zu unterstützen. Ausserdem wollte ich möglichst viel an biologischer Ware anbieten. Das war am Anfang noch recht exotisch hier oben, vor allem bei den Einheimischen. Mittlerweile ist das aber ganz normal geworden. Am Anfang machten das ein Freund und ich zusammen. Dann machte ich allein weiter. Irgendwie war man sich nicht mehr so recht einig gewesen, oder so. Das soll ja vorkommen.
    Damit und mit der Weberei liess sich genug verdienen, um gut über die Runden zu kommen. Ich konnte sogar jemanden anstellen, der zwei oder drei halbe Tage in der Woche hier arbeitete, sodass nicht ich die ganze Zeit hinter der Theke stehen musste und mir auch noch Zeit für etwas anderes blieb. Ich begann mit der Malerei. Brachte mir selber den Umgang mit den Ölfarben bei. Später besuchte ich dann auch einige Kurse, da ich mich weiterentwickeln

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