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Steile Welt (German Edition)

Steile Welt (German Edition)

Titel: Steile Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stef Stauffer
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Sonnenstrahlen in saftigem Grün. Aus den Zwischenräumen steigen Nebelfetzen, als würde jemand am Talgrund Feuer machen. Die Stille untermalt das Ticken der Wanduhr.
    Das Rotschwänzchen veranstaltet ein Riesengezeter auf dem Gestänge der Pergola vor dem Haus. Kurz darauf tritt Fritz durch die Tür. Die Aufregung draussen legt sich wieder, und der Kater bekommt Frühstück. In der Ferne wird eine Motorsense angeworfen, das schöne Wetter ausgenutzt, um zu heuen. Das Brot ist ausgegangen, ein Stück Ziegenkäse wäre fein. Der Rucksack wird geschultert. Der Weg zum Laden führt der Strasse entlang bis zum hintersten Dorf, wo einigen Aussteigern eingefallen ist, sich ansässig zu machen, Optimisten und Genügsamen. Weberinnen und Kunstschaffenden, Ladenhütern und Bienenkönigen.
    Der Weg wird also in Angriff genommen. Die Strasse ist gesäumt von Wildblumen und nass, von den Felsen rinnt der letzte Rest Regen. Der Eichelhäher beschwert sich lautstark und setzt über den Kopf hinweg. Ein paar hundert Meter und fünf Kurven weiter liegt am Strassenrand ein langgezogenes Gebäude. Rauch entsteigt dem Kamin. Der Bewohner ist da. Wo sollte er sonst sein. Das Haus ruht in der Morgensonne, zaghaftes Gebimmel der Ziegen aus dem Stall im Erdgeschoss. Zwei Treppen führen zum Eingang. Die Stille vertreibt den Mut hinaufzusteigen und einzudringen auf unbefugten Grund und Boden. Trotzdem fasst man sich ein Herz. Die Türe ist geschlossen. Das zögerliche Klopfen lässt eine alte Stimme erklingen. Permesso? Der Mann sitzt in der düsteren Küche am Tisch über die Zeitung gebeugt, schaut erstaunt auf. Erhebt sich mühevoll und schlurft einem entgegen, auf sein Ohr deutend, dass er nicht verstanden habe. Formaggio? Zurzeit habe er keinen. Nächste Woche wieder. Man solle einfach vorbeischauen. Wenn man denn noch einmal den Mut aufbringt.
    So geht man vorbei und weiter. Hoch oben über den Felsen ziehen zwei riesige Greifvögel ihre Kreise. Es sind ihre Rufe, die den Blick in den Himmel ziehen. Sind es Adler? Dem muss man noch nachgehen. Weiter geht es, der Strasse entlang, vorbei an dieser spektakulären Kaskade, die ihr Wasser über den blank geriebenen Stein wie über eine steile Rutschbahn in die Tiefe fallen lässt. Der Griff ans Brückengeländer geschieht unbewusst. Dann durch die Dörfer, vorbei am letzten Helilandeplatz in der vorletzten Kurve, durch die Gasse des hintersten Dorfes, bis diese am Parkplatz endet und nicht mehr weiterführt, eine Barriere die unerlaubte Durchfahrt verwehrt. Zu Fuss ist alles erlaubt. Weiter unten, hinter Gittern, zwischen Blumensträusschen aus Plastik, La Nostra Signora di Lourdes, die zum Gebet auffordert. Was in diesem Moment nicht nötig scheint, denn das Leben im Allgemeinen und der Tag im Besonderen meinen es gut mit einem. Unter der Voraussetzung, dass das Bienenvolk, das plötzlich im Vergleich zur Menschheit hier in der Umgebung deutlich in der Überzahl ist, nicht angriffg wird. Das Summen nimmt ein beängstigendes Ausmass an. Unten am Hang Reihen von Bienenhäuschen, alle bevölkert, wie es scheint. Ein Kleinbus fährt vor. Er scheint autorizzato zu sein. Beim Öffnen der Heckklappe erneut ein Schwarm dieser emsigen Tiere, die das Weite suchen. Der Imker ist beschäftigt, helfende Hände samt jungen Personen kommen die Treppe hoch. Heute wird geschleudert, somit bietet sich keine Gelegenheit für einen Schwatz. Man solle dann halt anrufen, wenn man etwas wissen wolle. Wollen täte man immer. Aber anrufen? Man besinnt sich wieder auf die eigentliche Absicht und geht zurück zum Laden. Das Brot ist schon da, noch vor dem Bäcker. Es kommt mit dem ersten Postauto. Als Käuferin ist man einzig im Geschäft. Trotzdem lässt die Geschäftigkeit hinter der Theke nicht zu, dass man ins Gespräch kommt. Vielleicht nächste Woche. Vielleicht am Nachmittag, da sei dann nicht so viel los. Die Suche nach dem neuen Mann im Tal gestaltet sich also schwieriger als gedacht. Dieser hat sich anscheinend über Jahre in Zurückhaltung geübt und es zu einiger Fertigkeit gebracht. Dabei hätte man zu gern erfahren, wie es denn so ist hier, als Einwanderer.
    Die Gelegenheit ergibt sich später. An einem Tag, an dem es giesst wie aus Kübeln und die Strasse in ein Bachbett verwandelt wird. Es ist ein Nachmittag, an dem kein vernünftiger Mensch vor die Türe tritt. An ausgerechnet so einem Tag geht einem aber die Milch aus, und es bietet sich damit die Gelegenheit, als Einzige den Gang in den Laden

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