Steilufer
kannte, noch keine Bekanntschaft gemacht zu haben. Dieser Priewe stellte es scheinbar geschickt an, die Jungs erst einmal mit seinen relativ harmlosen Freizeitangeboten zu ködern. Angermüller konnte nicht glauben, dass Marco gezielt und aus Überzeugung zu dieser Clique gestoßen war. Aber er sah die Gefahr, dass Maik Priewe den wenig selbstbewussten Jungen problemlos zu seinem willfährigen Werkzeug machen könnte, um ihn für seine Zwecke zu missbrauchen. Vielleicht war es ja eine glückliche Fügung, dass er bei seinen Ermittlungen auf diesen gefährlichen Umgang seines Neffen aufmerksam geworden war.
»Und noch eine letzte Frage habe ich, Marco: Kennst du das Restaurant ›Villa Floric‹?«
Kurzes Nachdenken, dann:
»Nö. Kenn ich nich.«
»Na gut, Marco, dann beenden wir mal unser Gespräch. Es bleibt unter uns, ja?«
Marco nickte gehorsam.
»Auch in deinem Interesse würde ich dir raten, niemandem etwas darüber zu erzählen. Du weißt, wie Maik und seinesgleichen mit Verrätern umgehen?«
Angermüller konnte an seinem Gesichtsausdruck sehen, dass seine vieldeutige Warnung bei Marco ihre Wirkung nicht verfehlte. Vielleicht war das ja schon heilsamer Schock genug, um den Jungen in Zukunft von diesen Leuten fernzuhalten.
Die Sonne stand jetzt tief am Himmel und am Strand war es leerer geworden. Auf dem Volleyballfeld, das sich hinter den Strandkörben anschloss, kämpften ein paar junge Leute mit Spaß und Geschick um den Ball. Sie warfen lange Schatten, aber immer noch war es angenehm warm. Angermüller und sein Neffe waren aufgestanden.
»Komm, Marco, gehen wir zu den anderen, die wollen jetzt wohl picknicken.«
Gerade, als Georg sich fragte, wo denn Astrid und die Kinder blieben, fegten Julia und Judith heran und präsentierten voller Stolz ihre neuen Badeanzüge. Natürlich hatten sich die beiden wieder für ein und dasselbe Modell entschieden. Noch kosteten sie ihre Zwillingsähnlichkeit aus und liebten es, damit immer wieder für Verwirrung zu sorgen.
»Papi! Wie findest du den?«
»Ist der nicht geil?«
»Das ist doch ein oberschickes Teil, oder!«
»Papi! Nun guck doch mal!«
»Ja, Mädels, wirklich schick.«
Angermüller war nur halb bei der Sache und seine Töchter stoben auch gleich wieder davon, um sich in die Fluten zu stürzen. Er schaute nach Astrid, gespannt, ob ihm seine Überraschung, hier beim Picknick zugegen zu sein, gelungen war. Endlich sah er sie zwischen den Strandkörben auftauchen und musste dann feststellen, dass sie ihm eine noch größere Überraschung bereitete: Sie kam nicht allein. Neben ihr ging, sportlich-leger in Bermudas und Polohemd, Martin, ihr Kollege und Segelfreund. Die beiden waren in ein lebhaftes Gespräch vertieft und Astrid bemerkte ihren Mann erst, als sie genau vor ihm stand.
»Georg! Was machst du denn hier?«
So hatte sich Angermüller die Begrüßung nicht vorgestellt.
»Es hat sich so ergeben, dass ich früher Feierabend machen konnte und da dachte ich, ich überrasche euch.«
Er gab der verdutzten Astrid einen Wangenkuss und Martin die Hand, der wieder herzhaft zudrückte.
»Schorsch, so sieht man sich wieder! Astrid klagte, du hättest bestimmt wieder keine Zeit für die Strandparty und da hab ich gefragt, ob ich sie begleiten könnte. So ein Familienpicknick am Strand wird einem ja nicht alle Tage geboten.«
Und was hast du mit unserer Familie zu tun?, dachte Georg und beobachtete Astrid, wie sie die anderen begrüßte. Überrumpelt wirkte sie und leicht verärgert. Wahrscheinlich war ihr die Situation peinlich, auch vor Martin, wo sie ihm doch erzählt hatte, ihr Mann hätte ja nie Zeit. Hatte sie sich ertappt gefühlt, als er plötzlich vor ihr stand? Angermüller, reiß dich zamm! Jetzt nicht übertreiben. Das hier war kein heimliches Tête-à-tête, sondern ein harmloses Picknick im Familienkreis. Zwar gehörte Martin nicht zur Familie, aber womöglich war er für Astrid genau so ein Freund, wie Steffen für ihn, den er durchaus auch zu Familienfeiern einlud. Er konnte diese Sympathie für Martin zwar nicht so recht nachvollziehen, aber vielleicht schätzte er ihn nur falsch ein. Gerechterweise musste er zugeben, dass er ihn ja kaum kannte.
»Schön, dass du hier bist, Georg! Aber das nächste Mal rufst du besser vorher an!«
Astrid kam mit einem Becher Prosecco und wollte mit ihrem Mann anstoßen. Ihre Verärgerung schien verflogen.
»Dann ist es ja keine Überraschung mehr!«
»Ich glaube, ich liebe Überraschungen
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