Steilufer
beschwichtigende Erklärung abzugeben, wenn die unauffällig geplante Befragung von Marco nicht völlig in die Hose gehen sollte.
»In einem Sportstudio, das Marco kennt, verkehren auch manchmal Neonazis und ich dachte, vielleicht kann er uns irgendwelche Hinweise geben.«
Peter nahm diese Information gleichmütig auf.
»Neonazis? Gibts die hier überhaupt?«
»Entschuldige, Peter, liest du keine Zeitung? Auch hier im Norden geht die Statistik von Straftaten Rechter leider nach oben.«
»Nicht jeder Deutsche, der stolz auf sein Vaterland ist, muss gleich ein Neonazi sein.«
»Da gebe ich dir recht. Aber wenn er andere Menschen halb tot schlägt oder ihnen die Imbissbude anzündet, nur weil sie Ausländer sind.«
»Na ja, diese ausländischen Burschen sind auch nicht alle Engel.«
»Das behauptet ja niemand.« Angermüller spürte, wie ihm der Kamm schwoll angesichts dieser Ignoranz, die ihm entgegenschlug. Er hätte es wissen müssen. Mit der größtmöglichen Autorität eines Profis stellte er klar: »Fakt ist, es gibt Neonazis und sie begehen Straftaten und sorgen dafür, dass die Polizei eine Menge zu tun hat. So und jetzt würde ich mich gerne noch ein bisschen mit Marco unterhalten. Allein.«
Sein Auftreten als energischer Kriminalhauptkommissar bewirkte tatsächlich, dass die anderen sich zurückzogen und er sich mit Marco in einen der Strandkörbe setzen und das Gespräch weiterführen konnte.
»Also, Marco, du trainierst im ›Studio 88‹?«
»Nicht nur da, ich bin eigentlich in so einem großen Studio in der Kanalstraße angemeldet. Aber da sind so viele Ältere und ein paar Kumpel und ich trainieren halt ab und zu im ›88‹, da ist die Musik besser und es ist irgendwie lustiger.«
Nach wie vor wirkte Marco angespannt, war aber immerhin etwas mitteilsamer. Angermüller musterte den schlaksigen Jungen. Er trug eine weite Hose, die bis übers Knie reichte und ein ebenfalls weites T-Shirt mit dem Emblem einer Sportfirma. Seine Turnschuhe der gleichen teuren Marke, hatte er sich zusammengebunden über die Schulter gehängt – es war die unauffällige Freizeitkleidung der Mehrheit der Jugendlichen, ohne rechtsnationale Accessoires. Doch das war leider keine Garantie, dass auch der Kopf frei davon war, wie Angermüller wusste.
»Ist das nicht teuer, zwei Sportstudios zu bezahlen?«
»Im ›88‹, da kostets nix.«
»Wieso das?«
»Weiß nicht. Aber wir sind da immer mit einem, der kennt irgendwie den Besitzer.«
»Dieser eine Mann, ist das Maik Priewe?«
Wieder sah Marco seinen Onkel verblüfft an.
»Ja, Maik. Seinen Nachnamen weiß ich nicht.«
»Woher kennst du den?«
»Vor ein paar Wochen haben wir ihn in der Disco kennengelernt.«
»Wer ist ›wir‹?«
»Na ja, meine Kumpels aus Timmendorf: Kevin, Tommi, Sven. Aber das ist doch nichts Verbotenes. Warum fragst du mich das überhaupt alles?«
»Weißt du, dass euer Maik ein Typ ist, der schon mehrfach wegen Körperverletzung, Nötigung und so weiter vor Gericht stand und vor nicht allzu langer Zeit aus dem Knast gekommen ist?«
»Ja, schon. Er hat erzählt, dass er im Knast war, aber er sagt, das war ein Justizirrtum und die werden sich noch wundern, wenn er das erst mal in die Presse bringt.«
„Quatsch. Er hat mit einer Gruppe Jugendlicher erst Hakenkreuze geschmiert und dann haben sie eine Gedenkveranstaltung auf dem Cap-Arcona-Friedhof bei Neustadt gestört, mit Sprechchören und Baseballkeulen – so einer ist das.«
»Na ja, der hat was gegen Türken und Araber und so. Ich find die auch nicht so doll, mit denen gibts immer Stress. Der Maik ist in Ordnung, das ist ein klasse Typ.«
»Was ist denn so klasse an ihm?«
»Na, der ist halt ein richtiger Kumpel. Wir können in dem Studio trainieren, er gibt uns auch Tipps dafür. Er ist superwitzig, mit ihm kann man so richtig Scheiß machen. Der hat immer gute Ideen, Gotcha zum Beispiel.«
»Gotcha?«
»Das ist ein Kriegsspiel, wo du mit Farbmunition auf die Feinde schießt, irgendwo im Wald – echt geil!«
»Das ist doch verboten auf öffentlichem Gelände.«
»Keine Ahnung, weiß ich nicht. Ich war da auch noch nicht bei, nächstes Wochenende vielleicht, hat Maik gesagt, aber find ich echt abgefahren!«
Marcos Begeisterung war nicht zu überhören. Kopfschüttelnd sah Angermüller ihn an.
»Was findet ihr so toll an diesen Ballerspielen? Mir langts, wenn ich zweimal im Jahr ins Schießkino muss und ich hoffe immer, dass ich im Dienst um den Waffeneinsatz
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