Steilufer
herumkomme.«
Sein Neffe grinste nur leicht verlegen statt einer Antwort.
»Und, was hat er noch zu bieten, dieser Maik?«
»O Mann!«, Marcos Unlust an dieser Unterhaltung war unübersehbar.
»Er gibt oft mal einen aus und dann macht der auch so Konzerte, ich glaube, der managt die Bands irgendwie und da will er uns auch umsonst mit hinnehmen.«
»Da spielen Nazirocker mit Auftrittsverbot ihre verbotene Krawallmusik, ›Wotans Wuth‹ oder wie die sich schimpfen – und es wird als private Geburtstagsfeier ausgegeben – da willst du hin?«
Wieder nur so ein blödes Grinsen und Schulterzucken bei Marco.
»Mensch, Marco! Was ist daran so lustig?« Angermüller wurde langsam ungehalten.
»Weiß ich nicht. Ich weiß nur, dass ich die Musik vom Maik gut finde und was mein Vater sagt, stimmt: Die Ausländer sind auch keine Engel.«
»Überall gibt es solche und solche. Das hat doch nichts mit der Herkunft zu tun.«
»Ja, aber die Ausländer kommen hierher, machen sich breit, laufen in Turban und Schleier rum, leben auf unsere Kosten und nehmen den Deutschen die Arbeitsplätze weg!«
Angermüller schüttelte den Kopf. Er hatte keine Lust mehr, sich das unausgegorene Gebrabbel seines Neffen weiter anzuhören. Vermutlich stammte die eine oder andere dieser Biertischthesen sogar von Marcos Vater.
»Sei ruhig, Marco, du erzählst einfach nur Bockmist. Willst du jetzt etwa auch so eine hirnlose Glatze werden? Ich sehe, deine Haare sind schon kürzer. Dann wirst du ja jetzt öfter mit den Kollegen vom Staatsschutz zu tun kriegen.«
Georg Angermüller machte Druck, um seinem Neffen klar zu machen, dass die Typen, mit denen er sich herumtrieb, keine Spaßvögel, sondern Kriminelle waren. Der Junge presste zwar mit einem trotzigen Ausdruck seine Lippen zusammen, konnte aber seine Verunsicherung nicht verbergen und wollte endlich dem Strandkorb und der Konfrontation mit seinem Onkel entfliehen. Philipp kam angerannt, die Hände hinter dem Rücken verborgen. Das Wasser tropfte ihm aus Haaren und Badehose und als er vor den beiden angekommen war, zog er schnell einen kleinen Eimer hervor und kippte einen Schwall Wasser auf Marco und seinen Onkel.
»Ey, kleiner Mistkerl!«, rief Marco, sprang auf und wollte seinem kleinen Cousin, der sich feixend schon auf dem Rückzug befand, hinterher rennen. Doch Angermüller fasste ihn mit festem Griff am Handgelenk und sagte:
»Aber ich wollte noch was ganz anderes wissen: Wo warst du in der Nacht von Donnerstag auf Freitag?«
Marcos Augen weiteten sich erstaunt und er ließ sich wieder in den Strandkorb sinken.
»Warum willst du das wissen?«
»In dieser Nacht ist hier ein junger Mann aus Nordafrika totgeschlagen worden.«
Der Junge wurde blass.
»Werde ich etwa verdächtigt? Onkel Georg, damit habe ich wirklich nichts zu tun!«
Es war schon lange her, dass sein Neffe ihn so angesprochen hatte. Fast tat Angermüller der Junge leid, aber andererseits konnte ihm die Konfrontation mit der brutalen Wirklichkeit auch eine Lehre sein. Er ließ sich nichts anmerken und fragte nach:
»Also, wo warst du Donnerstagnacht?«
»Letzten Donnerstag? Da haben wir Svennis Geburtstag gefeiert.«
»Wo?«
»Bei Sven. Wir wollten am Strand feiern, aber das Wetter war nich so doll.«
Sichtlich erleichtert gab Marco diese Auskunft.
»Wer war alles dabei?«
»Sven, seine Schwester, Tommi mit seiner Freundin, der Kevin und ich.«
»Und dieser Maik war nicht dabei?«
»Nö. Der hatte keine Zeit.«
»Sag mal, Marco, stört es dich eigentlich nicht, dass dieser Maik ein rechter Schläger ist und dass der diese Glatzen als Freunde hat?«
»Weiß nicht. Zu mir sind die alle ganz in Ordnung.«
»Weißt du, was der Maik Donnerstagabend vorhatte, warum der nicht zu dem Geburtstag kommen konnte?«
»Geschäfte«, sagte Marco und hatte wieder sein Grinsen im Gesicht. »Der Maik sagt immer Geschäfte, wenn er keine Zeit hat.«
»Aha.«
Georg Angermüller war nicht ganz klar, was er von diesem Gespräch mit seinem Neffen zu halten hatte. So naiv, wie der Junge sich gab, war er mit Sicherheit nicht. Angepasst und abhängig von seinen Eltern, suchte er wahrscheinlich nach Gelegenheiten, auch einmal böse zu sein, Verbotenes zu tun, Angst zu verbreiten. Auf so jemanden übte die Neonaziszene mit ihrem martialischen Gehabe eine ungemeine Faszination aus. Bis jetzt schien er mit den brutalen Ritualen der Szene, die ohne jede Skrupel Schwächere erniedrigte und bei körperlicher Gewalt keine Grenze
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