Steilufer
an der ›Villa Floric‹ gesehen. Gestern habe ich ihn nach dem Restaurant gefragt und da meinte er, dass ihm das nichts sagt. Aber als er jetzt den Bericht gesehen hat, fiel ihm ein, dass er doch schon davon gehört hat: Einer der Jungs aus der Clique von Maik Priewe, der ist dort Lehrling in der Küche! Matte heißt der oder so!«
»Na, das ist ja interessant!«
»Genau das denke ich auch! Der verschwundene Algerier, der Tote vom Steilufer, die Hetzparolen – alles hängt irgendwie mit der ›Villa Floric‹ zusammen«, sinnierte Angermüller. »Ich fürchte, ich muss noch mal weg – tut mir leid!«
»Ja, mir auch! Dann müssen wir halt unser Gespräch wieder einmal verschieben!«
»Du denkst aber jetzt nicht, dass ich mich wieder verantwortungslos verhalte?«
»Mensch, Georg! Was soll das? So kommen wir schon gar nicht weiter.«
»Tut mir leid, das war jetzt blöd von mir!«
Angermüller gab seiner Frau einen versöhnlichen Kuss auf die Wange.
»Ich drück euch die Daumen, dass ihr auf der richtigen Spur seid!«, wünschte Astrid.
»Danke!«
Er ging mit dem Telefon ins Haus. Während er Jansens Nummer eingab, resümierte er, dass das Gespräch mit Astrid nichts gebracht hatte. Im Gegenteil – so einen Streit wie eben hatten sie noch nie miteinander ausgetragen und er hatte jetzt ein schlechteres Gefühl als vorher.
Gelbgolden glänzten die Kartoffelscheiben hinter der gläsernen Backofentür und ein herrlicher Duft von Olivenöl und Rosmarin erfüllte die Küche. Anna seufzte zufrieden. Wie gut, dass sie spontan entschieden hatte, ihre Freundin Frauke mit einem Abendessen zu überraschen. Bevor Frauke irgendeine Packung aus ihrer immer umfangreichen Sammlung an Tiefkühlkost gegriffen und in die Mikrowelle gesteckt hatte, war sie mit einem Korb voller Köstlichkeiten aufgetaucht und hatte in der Küche zu wirken begonnen.
Als Lionel äußerte, heute Nacht bei Jakob schlafen zu wollen, war das Anna mehr als recht. Seit Fouhads Verschwinden hatte sie schon ein diffuses Gefühl der Bedrohung empfunden und die Schmierereien, die am Morgen aufgetaucht waren, hatten ihr die Richtigkeit dieser Gefühle nur bestätigt. Sie glaubte Lionel im Moment einfach bei seinem Freund besser aufgehoben, solange die ›Villa Floric‹ offensichtlich im Visier dieser Rassisten lag. Und da sie selbst jetzt einen Menschen brauchte, bei dem sie ohne Vorbehalte über ihre Sorgen und Ängste reden konnte, hatte sie kurzerhand für diesen Abend freigenommen. Die Küchenmannschaft würde auch einmal ohne sie klarkommen, schließlich waren alle gut eingearbeitete Profis.
»Ich sehe dir zu gerne beim Kochen zu!«
Frauke saß mit einem Glas Weißwein auf der Eckbank in der Küche ihrer Kate. Hinter der weit geöffneten Tür lag ein üppiger Bauerngarten, sattes Grün geschmückt mit Rittersporn, Heckenrosen, gelben Margeriten und anderen Farbtupfern und in der Mitte eine große Rasenfläche, auf der Lionel und Jakob mit dem Aufbau eines Indianerzeltes beschäftigt waren, aufmerksam beäugt von Napoléon. Es war immer noch warm und im Zwielicht des Abends kündigte sich eine traumhafte Sommernacht an.
»Und ich koche zu gerne! Wie gut, dass wir uns so ergänzen!«, lachte Anna. »Ohne Kochen fehlt mir was!«
»Das Problem habe ich nicht.«
»Für mich ist Kochen eine Verbindung aus Farbe, Duft, Geschmack, Fühlen – einfach ein Erleben für alle Sinne und wenn du dann aus verschiedenen Zutaten etwas völlig Neues erschaffst, wenn die Einzelteile sich zu einem vollkommenen Ganzen verbinden, das ist jedes Mal wieder ein kleines Stückchen Glück.«
»Du kannst ja richtig philosophisch werden bei deinem Lieblingsthema! Wenn ich das genießen darf, was du gekocht hast, das ist mir schon Glück genug!«
Jetzt begann es kräftig nach gebratenem Speck, Zwiebeln und Knoblauch zu duften. In einer Pfanne brieten zwei Schollen und eben gab Anna noch ein Schälchen gewürfelte Tomaten hinzu.
»Du kannst jetzt die Soße über den Salat geben, Frauke, und dann den Kindern Bescheid sagen. Wir können gleich essen.«
Kurz darauf saßen die beiden Frauen mit den Jungs um den Gartentisch hinter dem reetgedeckten Häuschen und verzehrten mit großem Appetit, was Anna zubereitet hatte. Für Lionel und Jakob gab es Bratwürstchen vom Biobauern zu den gebackenen Kartoffelscheiben, denn Fisch gehörte bisher nicht zu ihren bevorzugten Speisen. Es dämmerte, die Vögel im Dickicht der Bäume ringsum gaben ihr Abendkonzert und dann fingen
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