Steilufer
und ich dachte immer, der hat nur verspätete Pubertätsprobleme.«
»Ich kann Ihnen jetzt nicht viel dazu sagen, aber natürlich vermuten wir einen Zusammenhang mit den Parolen an der Villa und vielleicht auch mit dem verschwundenen Mitarbeiter von Ihnen. Der junge Mann ist sehr verstockt. Wir werden ihn jetzt erst mal mitnehmen müssen.«
»Na, das sind ja keine guten Neuigkeiten.«
»Tut mir leid, Frau Floric!«
»Wenn Sie mich nicht mehr brauchen…Ich würde Mat-thias jetzt ungern begegnen.«
Angermüller nickte zustimmend und Anna Floric ging zurück in die Halle, wo Yann sie an der Bar erwartete.
»Ich habe gesehen, dass noch ziemlich viele Gäste da sind. Ich bin nicht in der Stimmung, jetzt meine Honneurs zu machen.«
»Mais, Anna! Naturellement! Das ist doch überhaupt kein Problem«, nickte Yann.
»Hast du das gehört? Der Matte soll ein Neonazi sein.«
»Ja, sie haben so was gesagt, als sie ihn aus der Küche geholt haben.«
»Incroyable! Da haben wir sozusagen das Übel im eigenen Haus beherbergt.«
Anna schüttelte traurig den Kopf. Als Yann tröstend seinen Arm um sie legte, empfand sie ein Gefühl der Dankbarkeit. Er war eben wirklich der getreue Yann, wie Frauke ihn nannte. Wenn er gebraucht wurde, war er zur Stelle.
9
Es war noch früh am Morgen, in den kleinen Wohnstraßen von St. Jürgen herrschte idyllische Ruhe und der weiße Putz an den hübschen Häusern aus der Gründerzeit strahlte in der Sonne unter einem makellos blauen Himmel. Georg Angermüller war mit dem Fahrrad auf dem Weg in die Bezirkskriminalinspektion. Er genoss den Fahrtwind und war froh, wenn er im Schatten radeln konnte, denn er schwitzte stark. Nach vier Stunden wenig erholsamer Nachtruhe im Schlafzimmer unterm Dach, in dem es durch die anhaltende Hitze mittlerweile recht stickig war, fühlte er sich wie zerschlagen. Und wenn er an die nächtliche Vernehmung von Matthias Wulff dachte, besserte das nicht gerade seine Stimmung.
Als sie ihn in der ›Villa Floric‹ in der Restaurantküche angetroffen hatten, wo er gerade dabei war, mit seinen Kolleginnen und Kollegen aufzuräumen und ›klar Schiff‹ für den nächsten Tag zu machen, war ihm noch eine gewisse Überraschung anzusehen. Als sie dann aber allein mit ihm in der Bibliothek des Hauses saßen, hatte er sich wieder gefangen und antwortete nur das Nötigste auf die Fragen der Polizisten und es war ihm anzumerken, dass er am liebsten gar nichts gesagt hätte.
»Letzte Nacht hat jemand die Wand der ›Villa Floric‹ mit Parolen besprüht. Das ist Ihnen bekannt?«
»Ja.«
»Wo waren Sie letzte Nacht zwischen zwei und fünf?«
»Zu Hause.«
»Kann das jemand bestätigen?«
Konsequent sah Matthias Wulff an Jansen vorbei, der die Fragen stellte. Er hielt seinen Blick stur auf die Wand gegenüber geheftet.
»Meine Mutter.«
Angermüller betrachtete den jungen Mann, der in seiner weißen Kochjacke in betont lässiger Haltung auf dem antiken Sofa lehnte und dessen Aussehen und Wesen so gar nichts Einnehmendes an sich hatten. Matthias’ Gesichtsausdruck schwankte zwischen unwillig und gleichgültig, ja, er schien geradezu darum bemüht, möglichst unfreundlich zu wirken. Er war ziemlich groß, dabei irgendwie plump, und der kleine Kopf mit seinen rosablassen, weichlichen Gesichtszügen schien nicht dazu zu passen. Wäre sein Haar länger gewesen, hätte er mit einem Lächeln vielleicht ganz sympathisch aussehen können, doch die kurz geschorenen Stoppeln gaben nicht nur den Blick auf große Ohren frei, sondern ließen auch sonst keine Chance auf ein ansprechendes Äußeres. Mut zur Hässlichkeit, dachte Angermüller, warum will einer so aussehen?
»Kennen Sie einen Maik Priewe?«
»Wieso?«
»Ich wiederhole: Kennen Sie Maik Priewe?«
»Warum?«
»Wir sind hier nicht bei der Sesamstraße!«, platzte Jansen der Kragen. »Beantworten Sie meine Fragen!«
»Ja.«
Für einen kurzen Moment ahnte man so etwas wie ein verächtliches Grinsen hinter der unbewegten Fassade, die Genugtuung darüber, einen Polizisten aus der Fassung gebracht zu haben. Der Kochlehrling kannte Maik Priewe erst seit einigen Wochen, seit der als Lieferfahrer für den Gourmet-Profi arbeitete und in regelmäßigen Abständen auch die ›Villa Floric‹ belieferte. »Und Sie fanden den Prie-we gleich sympathisch?«
Matthias Wulff sagte nichts, zuckte nur mit den Schultern. Mit Jansens ironischem Unterton konnte er nichts anfangen.
»Treffen Sie Priewe auch privat?«
»Was
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