Steilufer
eher von dauernden Organisationsschwierigkeiten und Missverständnissen geprägt.«
Djaffar kam an den Tisch und nahm ihre Essenswünsche entgegen. Da sie beide Fischgerichte als Hauptgang gewählt hatten, bestellte Steffen einen Sauvignon Blanc Entre-Deux-Mers, der ihm auf seine Nachfrage von Djaffar dazu empfohlen wurde. Georg wollte den Gesprächsfaden wieder aufnehmen und Steffen die Frage stellen, die ihn schon die ganze Zeit beschäftigte, hatte aber den Eindruck, dass sein Freund nicht so richtig bei der Sache war. Er sah immer mal wieder zu dem Kiesweg, der zur Terrasse führte, unauffällig zwar, aber es war Georg Angermüller nicht entgangen.
»Sag mal, Steffen, erinnerst du dich an diesen Martin, der letzten Samstag bei unserem Essen dabei war?«
»Ich erinnere mich vor allen Dingen an das köstliche mediterrane Buffet, das du für uns zubereitet hast! Und an die unsägliche Carola, die nichts als Plattitüden von sich gab, comme d’habitude.«
»Martin, der neue Kollege von Astrid«, half Georg dem Gedächtnis seines Freundes auf die Sprünge.
»Mmh«, Steffen sah auf die Uhr. Es war offensichtlich, dass er in Gedanken woanders war.
»Martin«, wiederholte er abwesend. »Ach ja, der Seefahrer! Ganz sympathisch, ja. Was ist mit dem?«
Georg war ein wenig enttäuscht von der Reaktion seines Freundes, hatte er doch gehofft, in ihm einen Verbündeten zu finden und er beschloss, vielleicht später noch einmal das Thema Martin anzusprechen und welchen Zusammenhang er zwischen dessen Erscheinen und seinen Schwierigkeiten mit Astrid erkannt zu haben meinte. So fragte er stattdessen:
»Reden wir von dir! Du wolltest mir doch was Wichtiges erzählen?«
Plötzlich war Steffen wieder ganz Ohr und strahlte.
»Ja, stimmt! Aber ich fürchte, du musst dich noch ein wenig gedulden.«
So hatten sie ihre Entrees mit großem Genuss verspeist, gefolgt von den nicht minder köstlichen Hauptgerichten. Steffen delektierte sich an gebratenem Seeteufel mit hausgemachter Aioli und Sommersalaten, während Georg sich an Rochenflügel im Speckmantel auf Gemüse erfreute.
Zwischendurch hatte Georg Angermüller wieder an seinen aktuellen Fall denken müssen, was in der Umgebung der ›Villa Floric‹ nicht zu vermeiden war. Er hatte versucht, mit Steffen ein paar der Fragen zu diskutieren, die ihm dazu durch den Kopf gingen, doch ganz im Gegensatz zu seiner sonstigen Gewohnheit schien sein Freund nicht daran interessiert. Also hatte er die Versuche, das Thema anzusprechen, aufgegeben, um sich einfach nur unbeschwert durch diesen herrlichen Abend treiben zu lassen.
Mit der Auswahl eines Desserts ließen sich die beiden noch etwas Zeit.
»Also, ich bin wirklich hochzufrieden! Die Küche hier ist bemerkenswert!«
»Schön, dass es dir so gut gefällt! Ah! Da ist er ja!«
Steffen war schnell von seinem Stuhl aufgestanden und winkte jemandem lebhaft zu. Ein großer Mann ihres Alters kam zu ihnen an den Tisch. Er und Steffen begrüßten sich mit einer Umarmung und einem Wangenküsschen.
»Darf ich vorstellen: Georg, mein alter Freund, auch Schorsch genannt – David, mein Lebensgefährte!«
Steffen sprach ›David‹ englisch aus und als David Georg begrüßte, war sein britischer Akzent unüberhörbar. Im ersten Moment fühlte sich Angermüller etwas überrumpelt und man merkte ihm deutlich seine Befangenheit an.
»Eigentlich wollte ich dir ja nur von der großen Veränderung in meinem Leben erzählen, Georg, doch dann rief David an, dass er schon für heute einen Flug nach Lübeck bekommen hat und da dachte ich, das ist die Gelegenheit, dass ihr euch kennenlernt!«
Steffen sprach schnell und aufgeregt und schien auf einer Woge des Glücks zu schwimmen.
Nicht nur sein Akzent, auch seine Erscheinung entlarvten David eindeutig als Brite. Er war ein eher blasser Typ, sehr schlank, mit dichtem, rotblondem Haar, das oberhalb seiner Ohren in einer Länge glatt um den schmalen Kopf fiel. Seine Kleidung war klassisch, ein cremefarbener Leinenpulli mit einem feinen blauen Streifen am V-Ausschnitt, dazu eine helle, weit geschnittene Hose und blaue Bootsslipper. Die Eleganz seines Stils erinnerte an die Sportmode der 30er Jahre.
David nahm Platz an ihrem Tisch, Djaffar brachte eine neue Flasche Wein und noch ein Glas und Steffen erzählte, wie sie sich in der ›Tate Gallery of British Art‹ vor einem Dreivierteljahr begegnet waren. Vor dem Porträt der ›Proserpina‹ von Dante Gabriele Rossetti hatten sie sich ihre
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