Steilufer
weniger gefällt das unseren Leuten. Schon gar nicht, wenn sie unserer Jugend die Arbeitsplätze streitig machen. Und lassen Sie sich von einem erfahrenen alten Mann eines sagen, Herr Kommissar: Was diese Parole an der Villa hier angeht. Natürlich tut man so was nicht, aber man muss ja sagen, dass der Unmut der Leute verständlich ist.« Er machte eine kleine Pause. Seine Begleiter nickten und lächelten stumm. »Oder nicht, Herr Kommissar?«
Der Mann erwartete keine Antwort, er wollte nur seine Weisheiten loswerden.
»Und ich habe die Chefin hier schon des Öfteren da-rauf hingewiesen, dass wir in Schleswig-Holstein genügend Arbeitslose haben und keine Ausländer beschäftigen müssen. Das schafft böses Blut.«
Wieder zustimmendes Nicken und Lächeln in der Runde. Ein hinterhältiges Lächeln, wie Angermüller fand. Er kannte solche alten Männer auch aus den Wirtshäusern seiner Heimat, wo sie mit roten Köpfen über ihren Biergläsern hingen und Theorien spannen, wie sich das Reich entwickelt hätte, wenn man den Zweiten Weltkrieg gewonnen hätte. Denn hätte man auf sie gehört, sie hätten ihn gewonnen, zumindest am Biertisch. Sie testeten genau aus, wie weit sie in ihren Aussagen gehen konnten, ohne sich gleich als stramme Rechte zu entlarven, eine unangenehme Spezies, die sich aufgrund des natürlichen Alterungsprozesses nun langsam dezimierte.
»Sollten wir das nicht Frau Floric überlassen, wen sie hier einstellt?«, fragte Angermüller die Runde, sich schon auf eine Diskussion gefasst machend. Doch die Antwort war wieder ein nickendes Lächeln und plötzlich schüttelte Burmester Georgs Hand mit festem Griff.
»Sie nehmen doch einem alten Mann wie mir nicht übel, dass er altmodische Ansichten hat, oder, Herr Kommissar?«
Seine Begleiter lächelten breit und bevor er eine Antwort bekam, klopfte er Angermüller väterlich auf die Schulter.
»Nichts für ungut und schönen Abend noch!«
»Was war das denn für eine Ansammlung von Reptilien?«, fragte Steffen seinen Freund und Georg erläuterte, in welchem Zusammenhang er Burmester schon einmal begegnet war. Sie hatten sich schon wieder angenehmeren Themen zugewandt, als Anna Floric in ihrer weißen Kochjacke an den Tisch trat.
»Schön, Sie auch einmal unter anderen Vorzeichen hier zu sehen, Herr Kommissar!«, begrüßte sie Georg Angermüller ehrlich erfreut. »Waren Sie zufrieden?«
»Er ist hingerissen von Ihrer Kochkunst, Madame! Und wir sind es auch! Vielen Dank. Es war köstlich!«, bedankte sich Steffen auf seine überschwängliche Art und Georg und David stimmten ihm zu.
»Danke, das freut mich! Darf Ihnen das Haus noch einen Goutte servieren?«
Als sie bejahten, winkte Anna nach Djaffar, der ihnen kurz darauf den braungoldenen Cidre-Schnaps servierte. Sie baten Anna, sich an ihren Tisch zu setzen und stießen mit ihr auf einen gelungenen Abend in der ›Villa Floric‹ an.
»Entschuldigen Sie die Frage, aber es interessiert mich einfach: Ist Ihr Lehrling heute eigentlich wieder bei Ihnen aufgetaucht?«, wandte sich Angermüller an die Restaurantchefin.
»Seine Mutter rief heute Nachmittag an und entschuldigte sein Fernbleiben mit einem Termin beim Amt und außerdem habe er einen kleinen Infekt, kein Wort von den Schmierereien oder der Polizei.«
»Werden Sie ihn denn weiter hier beschäftigen?«
»Ich weiß ja gar nicht, ob er sich überhaupt noch hier blicken lässt und ich selbst bin mir, ehrlich gesagt, noch nicht sicher, was ich machen werde. Darüber muss ich erst einmal nachdenken. Das Vertrauensverhältnis ist natürlich zerstört. Aber vielleicht kommt er ja auch zur Einsicht, wenn man ihm noch eine Chance gibt.«
Angermüller wiegte nachdenklich den Kopf.
»Stimmt schon, wenn er jetzt ohne Ausbildung bleibt, den ganzen Tag nichts zu tun hat, dann wird er vollends in dieser Naziclique aufgehen.«
»Andererseits gibt es Grenzen dessen, was man vergeben und vergessen kann, und ich bin auch nicht verantwortlich für die Versäumnisse dieser Gesellschaft. Ich bin keine Mutter Teresa.«
Angermüller konnte nicht umhin, Anna Floric auch nach dem alten Burmester zu fragen.
»Ich bin zwar jetzt nicht im Dienst, aber dürfte ich trotzdem noch Eines fragen: der ältere Herr, der vorhin an unseren Tisch kam ...«
»Dürfen Sie! Ich hab gesehen, wie der Burmester mit Ihnen gesprochen hat. Er kommt regelmäßig zu uns, meist in Begleitung dieser Herren, die auch heute Abend dabei waren.«
»Hat er mit Ihnen über die
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