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Steilufer

Steilufer

Titel: Steilufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ella Danz
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so a kleiner Schlaganfall halt.«
    Die Verniedlichungen seines Heimatdialekts hatten manchmal wirklich etwas sehr Makabres.
    »Sie ham gsagt, nix Ernstes. Aber trotzdem behalten sie se jetzt e paar Tag drin, zur Beobachtung, und dann kann se wieder heim. Aber ich mach mir halt Sorgen.«
    »Das glaub ich, Marga! Aber das war gut, dass du sie in deiner Mittagspause gefunden hast. Beim Schlaganfall kommts auf schnelles Handeln an!«
    »Das ham die Ärzte auch gsagt. Sie ham gsagt, des war genau rechtzeitig und dass sie nix zurückbehalten wird.«
    »Na siehst du! Du brauchst dir wirklich keine Sorgen machen. Die Mutter ist in Coburg bestimmt in guten Händen.«
    »Hast scho recht, aber ich bin halt so a blöds Ding.«
    »Was ist denn mit Lisbeth?«
    »Die is net da, deswegen hab ich dich ja angerufen. Die sind doch auf Mallorca.«
    In Bayern hatten die Ferien gerade angefangen und wie jedes Jahr war Lisbeth gleich zu Beginn mit Mann und Kindern auf die Mittelmeerinsel geflogen.
    »Du kannst mich jederzeit anrufen, Marga, das weißt du doch! Wenn ich irgendwas tun kann…«
    Er wusste natürlich, er konnte nicht viel tun von hier oben aus und er hatte auch ein schlechtes Gewissen, dass Marga, die schnell von Ausnahmesituationen überfordert war, sich jetzt ganz allein um die Mutter kümmern musste. Aber er konnte im Moment wirklich nicht hier weg. Doch auch wenn die Zeiten ruhiger waren – die Reise in seine alte Heimat hatte er schon ewig nicht mehr angetreten. Seine Mutter war bisher nie ernsthaft krank gewesen, dies war ihr erster Krankenhausaufenthalt überhaupt. Sie wurde in diesem Jahr 70, was ja eigentlich noch kein Alter war und sie führte nach wie vor den Haushalt für sich und Marga und bewirtschaftete den riesigen Bauerngarten mit Gemüsebeeten, Obstbäumen und Beerensträuchern. Ohne Arbeit würde ihr was fehlen, sagte sie immer. Aber er sollte nicht warten mit einem Besuch, bis sie wirklich einmal ernsthaft krank war. Im Herbst war ihr Geburtstag, da würde er sie besuchen, mit oder ohne Astrid. Das nahm er sich ganz fest vor.
    »Ich weiß doch, dass du kei Zeit hast, Schorsch! Des hat mir scho gholfen, jetzt mit dir zu plaudern!«
    »Hat die Mutter denn ein Telefon auf dem Zimmer?«
    »Des bsorg ich ihr morgen. Ich kann dich dann ja anrufen und dir ihre Nummer geben.«
    »Mach das auf jeden Fall, Marga!«
    »Des mach ich! Tschüssle, Schorsch!«
    Er trank sein Wasser und für einen Moment war er auf dem Bauernhof, wo er seine Kindheit verbracht hatte. Unterm Dach hatte er sein erstes eigenes Zimmer, eigentlich eher eine enge Kammer, aber es war der einzige Raum im Haus, von dessen Fenster man einen Blick auf die Rosen-au hatte und das war schon etwas Besonderes. Im Sommer war es da oben allerdings immer furchtbar heiß.
    Beim Gedanken daran fiel Angermüller sein jetziges Schlafzimmer ein und dass es Zeit wurde, ins Bett zu gehen, denn schließlich hatte er schon letzte Nacht viel zu wenig geschlafen. Da nichts Spezielles vorlag, würde er am nächsten Morgen etwas später zum Dienst gehen, in der Hoffnung beim Frühstück mit Astrid über sein jüngstes ›Vergehen‹ reden zu können. Die Fenster im Schlafzimmer waren weit geöffnet, trotzdem war es unangenehm heiß hier oben und selbst unter dem dünnen Laken schwitzte er. Er fiel in einen unruhigen Schlaf und erinnerte sich bei jedem Aufwachen an andere Personen, die ihm im Traum begegnet waren: Priewe und seine Naziclique, Marga und seine Mutter, Astrid und Martin und noch ein ganzes Kaleidoskop von Leuten, mit denen er in diesen Tagen zu tun gehabt hatte. Das letzte Traumbild, das er sah, waren Steffen und David in weißen Dinnerjacketts, wie sie aus der Lindischen Villa traten, danach nichts mehr. Er schien endlich fest eingeschlafen zu sein.

10
    Der nächste Tag begann für Georg Angermüller alles andere als traumhaft – und das lag ganz bestimmt nicht am Wetter, denn wieder war der Himmel unerbittlich blau, die Sonne konnte ohne Unterlass auf die Erde strahlen und den Menschen an der Lübecker Bucht einen makellosen Sommertag bescheren. Astrid fand Georgs Versäumnis vom Vortag schlichtweg unverzeihlich. Natürlich wusste er, dass er einen Fehler gemacht hatte – aber ohne böse Absicht natürlich! Als Steffen ihn in die ›Villa Floric‹ einlud, hatte er überhaupt nicht mehr daran gedacht, dass er zugesagt hatte, an diesem Abend für die Kinder da zu sein. Er hatte es einfach vergessen!
    »Aber genau das meine ich doch, Georg! Genau das

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