Stein der Dämonen
der Schlüssel zu seiner Vergangenheit, möglicherweise auch zu seiner Zukunft. Dort musste sich zeigen, ob er wirklich der Sohn des Kometen war. Vieles sprach dafür, aber es gab auch berechtigte Zweifel.
Durfte der wirkliche Kometensohn Fehler begehen, wie sie ihm unterlaufen waren? Er konnte nicht anders, als Alton halb aus dem Gürtel zu ziehen. Das Gläserne Schwert gab ein fahles Leuchten von sich.
Mythor bedauerte den schändlichen Verrat an Herzog Krude, und er hätte wahrlich viel dafür gegeben, hätte er alles rückgängig machen können. Doch dazu war es leider viel zu spät.
Wenn er wirklich ausersehen war, musste er sich dann nicht vor der Aufgabe fürchten, die vor ihm lag? Würde sie nicht unüberwindlich sein für jemanden, der schon am Anfang seines Weges große Schuld auf sich geladen hatte?
Wenn der Lichtbote eines Tages von seiner langen Reise zurückkehrte, musste sein Schein auf eine reine Welt fallen, oder er würde vergehen wie die Flamme einer Kerze im Wind. Es galt, den Frieden zu bringen, Liebe und Verständnis. Dabei fasste das Böse immer wieder Fuß, manifestierten sich die Finsteren Mächte in Gestalt von Zauberpriestern und überzogen die Herzogtümer des Nordens mit Furcht und Verderben.
»Ich muss endlich wissen, wer ich wirklich bin!« Je näher er seinem Ziel kam, desto deutlicher fühlte Mythor seine eigene Unzulänglichkeit.
In einiger Entfernung wuchsen Berge vor ihm auf. Sie waren von einem schmutzigen Dunkelrot, dessen Anblick bereits Beklemmung hervorrief. Mythor konnte sich nicht entsinnen, dass die Marn jemals von einem solchen Gebirge gesprochen hätten. Im Gegenteil: Die Landschaft, in der sie ihn als Kind gefunden hatten, war von Horizont zu Horizont eben gewesen.
Nach einer Weile erkannte er, dass die schroffen Felsen aus der Straße des Bösen herauswucherten. Manche sahen aus wie versteinerte Pflanzen, und sie wuchsen turmhoch auf und teilten das Land auf eine Breite von mehr als dreihundert Schritt. Wie weit das Gebirge sich nach Süden . erstreckte, konnte Mythor von seinem augenblicklichen Standort aus nicht erkennen.
Doch dafür sah er anderes, was ihm mindestens ebenso wichtig erschien. Zwischen bizarren Schrunden, teilweise in schwindelnder Höhe, spannten sich Brücken, viele von ihnen wenig vertrauenerweckend und wohl nur noch durch eine Unmenge von Seilen notdürftig zusammengehalten. Andere hatten Wind und Wetter nicht zu trotzen vermocht. Zum Teil hingen ihre kläglichen Überreste von steilen Zinnen herab.
Der Wind trug Mythor einen Schrei zu. Er brachte Pandor zum Stehen und lauschte.
Hoch über ihm kreiste der Schneefalke. Als er plötzlich krächzend nach Süden strich, wusste der Kämpfer der Lichtwelt, dass Horus’ scharfe Augen gefunden hatten, wonach er selbst vergeblich suchte.
»Vorwärts, Pandor!« Mythor drückte dem Einhorn die Hacken in die Flanke. Wie ein grauer Schemen huschte Hark neben ihnen her.
Da war es wieder – diesmal deutlich zu vernehmen. Der verzweifelte Schrei einer Frau in größter Todesangst.
Nur wenige Schritte vor Mythor begann die Straße des Bösen. Schwarze, verbrannt wirkende Erde kennzeichnete den Weg, den einst die Yarls genommen hatten. Auch wenn in der Steppe an manchen Stellen noch der Schnee lag, hier hatte die weiße Pracht sich nicht halten können.
Horus verschwand zwischen den Felsen. Mythor sah ihm nach und entdeckte dabei ein Gebilde aus Stricken und kurzen Brettern, das unweit von ihm über einen Felsvorsprung herabhing. Sehr vertrauenerweckend sah die Strickleiter aber nicht aus. Mythor wäre wohl kaum auf den Gedanken gekommen, sich ihr anzuvertrauen, hätte er nicht plötzlich den Kampflärm vernommen, der aus der Höhe zu ihm drang. Fast klang es, als würden Schwerter gegen den gewachsenen Fels geschlagen.
Im Nu war er aus dem Sattel und kletterte behend nach oben. Die unmittelbare Nähe der Felsen wirkte beklemmend, denn ein Hauch des Bösen ging von ihnen aus.
Etwa zwanzig Mannslängen über dem Boden erreichte Mythor eine kleine Plattform aus Holz, von der aus ein Steg weiter schräg in die Höhe führte. Unter ihm gähnte ein tiefer Abgrund, der seinen Schritt unweigerlich anzog. Es gab kein Geländer, und von den beiden Seilen, die einmal eine Begrenzung gebildet haben mochten, zeugten nur noch die aufgebogenen Halterungen.
Vorsichtig ging Mythor weiter. Seine Füße fanden nur schlechten Halt. Das Holz war glatt und an manchen Stellen von Schleim überzogen. Nur zwei Bretter
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