Stein der Dämonen
Beine weggerissen. Ein heftiger Schmerz durchzuckte ihn, er sank vornüber auf die Knie, hielt jedoch Alton abwehrend von sich und trennte die beiden Fühler unmittelbar hinter ihren verdickten Enden ab. Er war selbst überrascht zu sehen, wie leicht das Gläserne Schwert die Schwarte durchschnitt.
Mit der linken Hand zog er sich am Seil wieder hoch und stieß erneut zu. Ein wenig fühlte er sich mitschuldig an dem Grauen, das bis weit hinauf nach Norden Land und Leute bedrohte. Denn Churkuuhl war es gewesen, das die Saat des Bösen mit sich gebracht hatte.
Doch das alles konnte nicht der Grund dafür sein, dass er sein Leben wagte, um einigen Salamitern zu helfen, die in Bedrängnis geraten waren. Allein das Gebot der Menschlichkeit hieß ihn so zu handeln.
Unter seinen kraftvoll geführten Hieben brach das Untier endlich zusammen. Gelber Schleim quoll aus der Unterseite seines Körpers, als mehrere Fußtritte es gänzlich von der Brücke stießen.
Für einen Moment achtete Mythor nicht auf sicheren Stand. Prompt glitt er aus und schlug der Länge nach hin. Nur mit der Linken konnte er sich abfangen, wollte er nicht Gefahr laufen, Alton zu verlieren. Deutlich spürte er wieder die bedrohliche Ausstrahlung des Gebirges.
Dann wurde ihm schwarz vor Augen. Erst schwerer Flügelschlag schreckte ihn wieder auf.
»Horus!« kam es leise über seine Lippen. Der Schneefalke rüttelte unmittelbar neben ihm, und die Fänge des Tieres schienen nach ihm greifen zu wollen.
Mythor hing mit den Beinen in der Luft. Lediglich sein Oberkörper ruhte noch halb auf den Brettern, und auch das nur, weil er mit der Hand in einen der Zwischenräume geraten war. Lange würde er sich so aber nicht halten können. Und mit der Rechten nach einem sicheren Griff suchen hieß, Alton im Abgrund verschwinden sehen.
»Halte aus!«
Das war wieder der Mann, der ihm schon die Warnung zugerufen hatte. Mythor konnte den Kopf nicht weit genug heben, um mehr als ein Paar fellbesetzter Stiefel zu erkennen, die sich vorsichtig heranschoben.
Allmählich wurde sein linker Arm taub. Die Finger verloren den Halt, glitten ab. Da spürte er eine Berührung, die sich von den Beinen aus langsam an seinem Körper hochzog.
Die Pflanzen greifen wieder an, schoss es ihm durch den Kopf. Jetzt musst du Alton fahrenlassen, willst du nicht ein unrühmliches Ende finden.
»Halte das Schwert fest! Ich habe dich in der Schlinge. Du wirst nicht stürzen.«
In dem Moment, in dem er endgültig abglitt, spürte Mythor das Seil, das sich eng um seinen Leib zog. Für die Dauer eines bangen Atemzugs schwebte er in der Luft, dem Tod näher als dem Leben, doch dann wurde er langsam in die Höhe gezogen und kam schließlich schwer atmend auf der Brücke zu liegen.
»Danke!« Mehr vermochte er nicht zu keuchen.
Der Mann, der ihm geholfen hatte, zeigte zuerst auf das Gläserne Schwert und dann auf Mythor selbst. »Einen Krieger wie dich kann ich nicht einfach sterben lassen.«
Eine besondere Betonung lag in diesen Worten, die nachdenklich stimmte. Aber für derlei Überlegungen blieb keine Zeit. Mythor streckte seinem Retter die Hand entgegen, die dieser mit Bärenkräften drückte.
»Ein Zauberschwert?«
Der Sohn des Kometen verzichtete auf eine Antwort, denn das begehrliche Funkeln in den Augen seines Gegenübers war ihm nicht entgangen. Wortlos erhob er sich.
Und dann schien das Klagen des Gläsernen Schwertes nicht mehr enden zu wollen. Mehr als ein Dutzend zuckender Tentakel zerschlug Mythor, und etliche der Riesenschnecken verschwanden in der Tiefe, bevor ihr Angriff ins Stocken geriet.
Als hätten sie plötzlich erkannt, dass der Gegner übermächtig war, verschwanden die Tiere von den unmittelbar bis an die Brücke heranreichenden Hängen.
*
Her Thylon erwachte aus tiefer Ohnmacht. Er lag in völliger Schwärze und brauchte geraume Zeit, um sich in seinen eigenen Räumen wieder zurechtzufinden.
Von Übelkeit geschüttelt, versuchte er sich zu erheben, was ihm nur mühsam gelang. In seinem Schädel schien ein Heer von bösen Geistern zu toben. Da war ein Dröhnen und Pochen, ein Stechen und Hämmern, weitaus schlimmer noch als nach etlichen durchzechten Nächten.
Der Magier taumelte zu einem hölzernen Bottich hin, der randvoll mit kühlem Wasser gefüllt war. Ohne zu überlegen, tauchte er den Kopf hinein, und die Kälte wirkte tatsächlich wohltuend und belebend. Erst als er keine Luft mehr bekam, kam er prustend und spuckend wieder hoch.
Die Wellen
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