Stein der Dämonen
das Gefühl, haltlos durch die Luft zu fallen, das ihn wieder zu sich brachte. Brennender Schmerz durchflutete ihn, als er versuchte, die Augen zu öffnen.
Offenbar fiel er wirklich.
Man hatte ihm ein Seil unter den Armen hindurchgeschlungen, an dem er nun langsam in eine Ungewisse Tiefe hinabglitt. Zum Greifen nahe sah Mythor rötliche Felsen vor sich. Überall hatte sich dunkler Staub angesammelt, der unzähligen Pflanzenarten als Nährboden diente. Sie wucherten selbst dort, wo ihre Wurzeln kaum noch ausreichenden Halt fanden, und sie streckten sich Mythor gierig entgegen.
Seine Rechte zuckte zum Schwert. Aber da baumelten nur eine armlange Stange aus Eisen und ein lederner Beutel an seinem Gürtel.
Der Blick zurück zeigte ihm spöttisch grinsende Gesichter. Rochad stand über ihm auf einem schmalen Steg und ließ das Seil langsam durch seine Finger laufen. Plötzlich erinnerte Mythor sich wieder daran, dass der Fischer es gewesen war, der ihn hinterrücks niedergeschlagen hatte.
»Ich sehe, dir geht es besser«, rief Rochad zu ihm herab. »Du hast eine Aufgabe bekommen, Mythor, und ich bin sicher, du wirst sie zu meiner Zufriedenheit erfüllen. Bringe mir Schwarzperlen, so viele du erbeuten kannst. Die Schnecken lassen sie zwischen den Korallen zurück. Aber sieh dich vor, die Giftpflanzen sind heimtückische Gewächse.«
Mythor blieb keine andere Wahl. Vielleicht bot sich ihm später eine Gelegenheit zur Flucht, wenn er das hier heil überstand. Denn zweifellos hatten schon viele vor ihm ihr Leben lassen müssen.
»Was ist aus meinen Tieren geworden?« Er war gezwungen zu schreien, denn die Entfernung zu Rochad wuchs stetig an. »Und wo sind mein Schwert und der Helm?«
Die Antwort, die er erhielt, wurde dumpf und verzerrt von den Felsen zurückgeworfen: »Hrobon hat deine Ausrüstung als Beute an sich genommen. Der Falke ist verschwunden. Deinen Wolf haben wir verjagt. Er wird durch die Steppe streunen und irgendwann von den Vogelreitern erlegt werden. Das Einhorn allerdings konnten wir nur mit Mühe bändigen. Hrobon ist mit ihm als Geschenk für den Shallad in die Heymalländer unterwegs.«
Endlich spürte Mythor festen Boden unter den Füßen. Ringsum herrschte ein düsteres Zwielicht, das es schwermachte, Gefahren rechtzeitig zu erkennen. Manchmal wollte es scheinen, die Felsen bewegten sich. Doch musste der Kämpfer der Lichtwelt immer wieder erkennen, dass er sich von Schatten narren ließ. Er überlegte, ob er das Seil um seinen Körper lösen sollte, um sich ungehindert bewegen zu können, entschied sich schließlich aber dagegen.
Von irgendwoher ertönten schrille Geräusche mit sich wiederholender Regelmäßigkeit. Noch schien ihr Ursprung weit entfernt zu sein, aber sie kamen unzweifelhaft näher. Mythor wusste, dass die Schnecken diese Laute hervorbrachten.
Nachdenklich wog er die Eisenstange in Händen. Und dann schmetterte er sie mit zermalmender Wucht gegen die Felsen, gerade als sich ihm glitschige Fangarme entgegenstreckten. Ein Schwall dunkel gefärbter Flüssigkeit ergoss sich über den Boden, wo sie blasenwerfend verdampfte. Zurück blieben ein mehr als eine Handspanne tiefes Loch und ein geradezu abscheulicher Gestank, der sich lähmend auf die Atemwege legte.
Mythor torkelte weiter. Das Seil verfing sich an einem Vorsprung und riss ihn von den Füßen. Er schlug hart auf, die Stange entglitt ihm. Für eine Weile blieb er schwer atmend liegen. Er fühlte, dass der Tod hier unten in vielerlei Gestalt lauerte. Die Begegnung mit einer Schnecke würde er ohne brauchbare Waffe kaum überstehen.
Als er sich wieder erhob, gewahrte er eine merkwürdige Dunkelheit vor sich. Inmitten der rötlichen Dämmerung gab es so etwas wie einen Ort vollkommener Finsternis. Die Schwärze schien ihren Ursprung zwischen den Felsen zu haben. Sie saugte das Licht an wie ein trockener Schwamm das Wasser.
Vorsichtig, das Eisen fest umklammert, näherte Mythor sich. Die Ausstrahlung des Bösen wurde stärker, je weiter er kam.
Noch etwa vierzig Schritt von ihm entfernt endete die Schlucht. Mythor konnte es von seinem Standort aus nicht erkennen, doch nahm er an, dass der Fels noch einmal steil in die Tiefe abfiel, denn da war kein Horizont, er sah nur düstere Wolken, die langsam über den Himmel trieben. Ihre Ränder erstrahlten im Schein der aufgehenden Sonne.
Die Schwärze hingegen nahm ihren Ausgang von einem merkwürdig schillernden, etwa mannshohen Gebilde. Mythor hatte bisher nur Schnecken ohne
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