Stein der Dämonen
erzitterte. Mythor spürte eine Hand auf seiner Schulter, die ihn sanft vorwärts drängte. Als er sich umsah, blickte er in fanatisch glühende Augen. Der Fremde starrte ihn nur unentwegt an, sagte aber nichts.
»Was ist?« fragte Mythor. »Was wollt ihr von mir?«
Er erhielt keine Antwort. Statt dessen wurde der Griff auf seiner Schulter härter. Eine deutlich erkennbare Ungeduld schlug ihm entgegen.
»Nicht ohne das Mädchen.«
Mythor hatte nichts anderes erwartet als ein zustimmendes Nicken. Er schob das Schwert in seinen Gürtel und bückte sich nach Mistra, die inzwischen das Bewusstsein verloren hatte.
Plötzlich schien der Steg sich aufzubäumen. Holz splitterte. Hinter Mythor klatschten Tentakel auf die Bretter. Die Erschütterungen wurden häufiger.
Mit seiner leblosen Last auf den Armen kam der Kämpfer der Lichtwelt nicht so schnell voran wie die Vermummten. Er erreichte als letzter das westliche Plateau, auf dem der Steg endete. Immer lauter war das Knistern und Krachen geworden. Einzelne Versteinerungen schoben sich stetig näher heran, und nichts konnte ihnen Einhalt gebieten.
Donnernd verschwand dann ein Teil des Steges in der Tiefe, während Mythor Mistra und sich mit einem verzweifelten Sprung auf den Fels rettete. Nur den Bruchteil eines Herzschlags später, und er wäre mit ins Verderben gerissen worden.
Auch hier führte, wie auf der anderen Seite der Berge, eine Strickleiter zur Straße des Bösen hinab. Es schien viele solcher Brücken und Stege zu geben. Trotzdem sah Mythor weder Heymals noch Salamiter. Aber Schnecken tauchten auf. Er hatte nicht viel mehr als die Hälfte des Abstiegs hinter sich gebracht, als ein erster schleimiger Schädel sich über einen zerklüfteten Hang hinweg auf die Leiter zuschob. Mit der Linken Mistras Körper umklammernd, mit der Rechten Halt an den Sprossen suchend, konnte er das Schwert nicht ziehen.
Die Berührung der Fühler ließ die Strickleiter schwanken. Mythor schrammte am Fels entlang; ein heftiger Schmerz, vom Ellbogen ausgehend, durchzuckte plötzlich seinen rechten Arm. Jegliches Gefühl wich aus den Fingern. Aber da bohrten sich Pfeile in den Leib der Schnecke und rissen tiefe Wunden. Die Bestie verschwand daraufhin mit einer Schnelligkeit, die ihr wohl niemand zugetraut hätte.
Wieder halfen ihm die Vermummten, und am Fuß des Felsens wartete schon eine Gruppe von Reitern auf ihn. Sie gaben Mythor ein Pferd, einen feurigen Rappen, der an Schnelligkeit wohl mit jedem anderen mithalten konnte. Mistra stöhnte leise, als der Kometensohn sie vor sich quer über den Rücken des Tieres legte. Sie war übel zugerichtet – kaum eine Stelle an ihrem Körper, die nicht von nässenden Geschwüren bedeckt war.
Die junge Frau hatte ihr Leben gewagt, um Mythor zu retten. Zweifellos würde sie sterben, wenn nicht ein Wunder geschah. Aber wohl nur das Harz vom Baum des Lebens konnte ihr helfen, doch das steckte zusammen mit dem letzten Tannenzapfen in der Tasche des leonitischen Königssattels, und auf diesem wiederum ritt wahrscheinlich Hrobon gen Süden, um seinem Gottkönig Hadamur das Einhorn zum Geschenk zu machen.
Mit stummen Gesten wurde Mythor von seinen Rettern bedeutet, dass auch sie nach Süden wollten.
Sie sprachen nicht. Erachteten sie dies als für unter ihrer Würde, oder waren sie gar des Gorgan nicht mächtig?
Mistras Worte fielen Mythor wieder ein. Hatte sie nicht von »Stummen Großen« gesprochen? Gab es da einen Zusammenhang, obwohl seine Retter eigentlich nur von mittelgroßer Statur waren?
»Könntest du mir doch antworten.« Er bedachte das Mädchen mit einem verzweifelten Blick.
Als Mythor sich dann umwandte und zurückschaute, sah er die drei Todesreiter auf dem höchsten Kamm des Korallengebirges stehen. Eine dunkle, Düsternis verbreitende Wolke schwebte über ihnen, mächtig und drohend zugleich. Er wusste, dass sie seiner Spur folgen würden, bis Drudins Dämon sein Opfer gefunden hatte.
*
Nach langem Ritt blieben die Korallenberge hinter ihnen zurück und verloren sich im heraufziehenden Dunst des Tages. Die inzwischen hoch stehende Sonne leckte den letzten Tau von den Gräsern. Es wurde warm, beinahe schwül. Die Luft war stickig. Kein Windhauch vertrieb den Geruch dampfender Erde.
Hatten anfangs noch von Steinmauern umgrenzte grüne Weideflächen das Bild bestimmt, so erhoben sich schließlich vereinzelte Tafelberge aus dem flachen Land, an deren Flanken sich das Sonnenlicht brach. Mythor sah hohe, wuchtige
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