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Stein und Flöte

Stein und Flöte

Titel: Stein und Flöte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Bemmann
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vorschlagen«, sagte Lauscher. »Es könnte sein, daß du inzwischen Besuch bekommen hast, der noch mehr zu erzählen weiß.«
    »Du machst mich neugierig«, sagte der Bauer und verabschiedete sich von den beiden Reitern. Dann löste er den Pflug aus dem Zuggeschirr, schwang sich seitwärts auf seinen Ackergaul und trabte auf dem Weg zurück, den die anderen heraufgeritten waren.
    Als Barlo und Lauscher auf Eldars Hof zuritten, sahen sie, daß die Leute vor die Tür getreten waren und ins Tal hinunterspähten, in dem noch immer die Melodien der Spielleute durcheinander klangen, als finde dort irgendwo ein Jahrmarkt statt. Außer drei Frauen und ein paar Kindern stand da auch ein kurzbeiniger, dicker Mann, dessen rosige Pausbacken in merkwürdigem Gegensatz zu seinem borstigen grauen Haar standen. Barlo lächelte, als er ihn sah, und blies auf seiner Flöte ein paar Töne, die wie ein Signal klangen. Da horchte der Dicke auf und blickte herüber zum Weg. »Barlo!« rief er. »Ich habe mir’s fast gedacht, daß du hinter dieser seltsamen Veranstaltung steckst.«
    Barlo sprang vom Pferd und umarmte den Dicken wie einen alten Freund, den man lange nicht gesehen hat. Auch Lauscher stieg von seinem Esel und wartete, bis einer Notiz von ihm nahm. Schließlich wandte sich der Dicke ihm zu und sagte: »Dich kenne ich doch auch.«
    »Ich fürchte, ja«, sagte Lauscher. »Wahrscheinlich hast du mich seinerzeit mit Gisa über die Felder reiten sehen.«
    Der Dicke zog pfeifend die Luft durch die Zähne ein. »Gisas Spielkamerad«, sagte er und schaute Lauscher nicht eben freundlich von Kopf bis Fuß an. Doch dann hellte sich seine Miene auf, und er sagte: »Dann bist du auch der Bursche, der ihr das blaue Mal auf der Stirn verschafft hat, ehe er ihr davonlief. Das wiegt manches auf. Von diesem Tag an begann meine Hoffnung wieder zu wachsen, denn du warst der erste, der etwas gegen sie unternommen hat. Und was tust du jetzt hier?«
    »Ich bin seit drei Jahren Barlos Diener«, sagte Lauscher.
    »Dann bist du mir genauso willkommen wie dein Herr«, sagte der Dicke. »Ich bin Eldar. Kommt in mein Haus und seid meine Gäste«, und er schüttelte Lauscher so kräftig die Hand, daß diesem die Gelenke schmerzten. Dann machte er ihn mit seiner Familie bekannt. Seine Frau war ein beträchtliches Stück größer als er, doch beide schienen nicht zu jenen Menschen zu gehören, die sich durch dergleichen Nebensächlichkeiten stören lassen. Außerdem war da noch Eldars Schwiegertochter Gildis mit ihren drei Kindern. Eldar erzählte, daß Gisas Knechte auch seinen Sohn eines Tages abgeholt hätten. »Und das ist meine Tochter Eldrade«, fuhr er fort, doch das Mädchen merkte gar nicht, daß von ihr die Rede war, sondern hatte nur Augen für Barlo, der mit den Kindern wortlos Späße trieb. »Nimm’s ihr nicht übel«, sagte Eldar. »Sie hat immer nur von Barlo gesprochen, seit er mein Haus verlassen hat.«
    Eldrade war schlank und hochgewachsen wie ihre Mutter, nur in ihrem vollen, kräftigen Gesicht waren die Züge des Vaters erkennbar, wenn auch nicht so derb und gnomenhaft wie bei ihm. Eldar legte ihr schließlich die Hand auf die Schulter und sagte: »Barlo wirst du wohl jetzt häufiger sehen. Du solltest auch unseren anderen Gast begrüßen.« Er brachte sie damit kaum in Verlegenheit; sie schien es vielmehr als selbstverständlich hinzunehmen, daß man sie mit Barlo in Verbindung brachte. »Ich beneide dich, Lauscher«, sagte sie, »daß du all die Jahre mit Barlo durch das Land reiten durftest.«
    »Du beschämst mich«, sagte Lauscher. »Von dürfen war da anfangs keine Rede. Zunächst habe ich das nur deshalb getan, weil man es mir aufgetragen hat. Aber später bin ich gern mit ihm geritten, und heute weiß ich, daß ich diese Zeit nie vergessen werde.«
    Da gab ihm Eldrade die Hand wie einem Bundesgenossen und sagte: »Sei unser Gast.« Dann gingen alle ins Haus.
    Auch hier war das Essen kärglich, das man den Gästen vorsetzte; denn Gisa ließ ihren Bauern nur das Notwendigste zum Leben. »Ich weiß wirklich nicht, wovon ich noch immer so dick bin«, sagte Eldar. »Vielleicht von der aufgestauten Wut auf die gelbäugigen Kerle, die hier seit Jahren den Ton angeben.«
    »Das werden sie nicht mehr lange tun«, sagte Lauscher und erzählte von der Begegnung auf dem Weg zu Eldars Haus. Eldar und seine Leute, die mit ihnen am Tisch saßen, hörten gespannt zu. Als Lauscher die Flucht des Zottigen beschrieb, fingen sie an zu lachen,

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