Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Stein und Flöte

Stein und Flöte

Titel: Stein und Flöte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Bemmann
Vom Netzwerk:
sprach, war Bragar, und als sie ihre Bogen fertig hatten, sagte er zu ihm: »Wir müssen uns einen Baumsitz bauen, auf dem uns die Wölfe nichts anhaben können.« Sie brauchten einige Zeit, um eine Stelle zu finden, an der das Rudel häufig vorübertrabte. In einer alten Eiche am Waldrand richteten sie dann ihren Hochsitz ein und ließen auch ihre Bogen dort; denn es wäre unklug gewesen, sie im Haus zu behalten. Bis dahin waren schon fünf Wochen vergangen, seit Barlo ins Haus gekommen war.
    Ich saß dabei, als die beiden ihre erste Jagd absprachen. »Wir schießen nur auf Wölfe, die sich ein Stück vom Rudel entfernt haben«, sagte Barlo. »Und der Schuß muß tödlich sein; denn ein angeschossener Wolf könnte die anderen auf unsere Spur bringen. Auch sollten wir versuchen, unsere Pfeile zurückzuholen.«
    Gegen Abend im letzten Sonnenlicht machten sie sich auf den Weg, und sie kamen erst am Morgen zurück, als die Sonne schon aufgegangen war. Wir waren früh aufgestanden und warteten auf sie. Mein Vater schaute Barlo fragend an, erhielt aber keine Antwort. Doch ehe Barlo ins Haus ging, zog er sein Messer aus der Scheide und schnitt zwei Kerben in den Türpfosten. Dann legte er sich in seiner Kammer schlafen, denn die Pferde hatte mein Vater schon gefüttert. Bragar sagte nur: »Sie tragen Halsbänder mit einem blauen Stein.«
    So ging das ein paar Tage lang. Manchmal schnitt Barlo eine Kerbe, manchmal keine, mehr als zwei waren es nie. Man konnte ihm und meinem Bruder ansehen, wie müde sie waren; denn es gab zuviel Arbeit auf dem Hof, als daß sie den Tag hätten verschlafen können. Außerdem fingen Gisas Knechte wieder damit an, die Häuser zu durchsuchen. Überall sah man sie zu dritt oder viert durchs Tal reiten, und unser Hof war einer der ersten, den sie sich vornahmen. Sie kamen über die Pferdeweide heraufgeprescht und setzten über den Zaun, daß die Hühner auseinanderstoben. Vor dem Haus sprangen sie ab und warfen Barlo, der gerade aus der Tür kam, die Zügel zu. Dann stürmten sie ins Haus, drangen in jeden Raum ein, rissen Schränke und Truhen auf und durchwühlten alles, was ihnen unter die Hände kam. Schließlich gaben sie es auf, nachdem sie gehaust hatten wie die Räuber, und verließen wütend das Haus. In der Tür blieb einer von ihnen stehen und betrachtete nachdenklich die frischen Kerben, die sich hell auf dem verwitterten Türpfosten abzeichneten. Dann holten sie ihre Pferde und ritten zum nächsten Hof.
    Am Abend dieses Tages gingen Barlo und Bragar wieder auf die Jagd. Als sie am Morgen zurückkamen, merkte ich gleich, daß etwas schiefgegangen war. »Uns ist ein verwundeter Wolf entkommen«, sagte Bragar. Noch am gleichen Vormittag ritten wieder Gisas Knechte auf den Hof. Einer von ihnen trug den Arm in der Schlinge und hielt einen Pfeil in der Hand, an dem er herumschnüffelte wie ein Schweißhund. Diesmal gingen sie nicht ins Haus, sondern riefen nach meinem Vater.
    »Wer arbeitet außer dir auf dem Hof?« fragte einer von ihnen.
    »Mein Sohn Bragar und ein Pferdeknecht«, sagte mein Vater.
    »Rufe sie heraus!« sagte der Zottige.
    Als Barlo und Bragar vor die Tür kamen, betrachtete der Verwundete sie genau und trat dicht an sie heran, als wolle er ihren Geruch wittern. In seinen gelben Augen stand kalte Wut. »Du hast zu viele junge Männer auf dem Hof«, sagte er dann. »Wir werden sie anderweitig beschäftigen, damit sie nicht auf dumme Gedanken kommen. Dein Sohn ist klein, aber kräftig und wird sich gut für die Arbeit im Stollen eignen. Und diesen langen Pferdeknecht können wir auf dem Schloß gebrauchen.«
    »Wer soll sich dann um meine Pferde kümmern?« fragte mein Vater.
    »Das wird nicht nötig sein«, sagte der Zottige, »denn auch für deine Pferde haben wir Verwendung. Es wird wohl ausreichen, wenn wir dir zwei Gäule für die Ackerarbeit lassen.« Sie machten sich gleich daran, die Pferde aus dem Stall zu führen. Zum Glück hatten sie keine Spur von Pferdeverstand, und so gelang es meinem Vater, die beiden besten Zuchtstuten zurückzubehalten. Inzwischen hatten Barlo und Bragar ihre Sachen geholt und kamen mit ihrem Bündel vor die Tür. Bragar hatte sich im Haus von seiner Frau und seinen Kindern verabschiedet; denn er wollte nicht, daß Gildis vor den gelben Augen der Zottigen weinte.
    Ich hatte die ganze Zeit über draußen gestanden, und als Barlo sich von meinem Vater verabschiedet hatte, wollte er auch mir die Hand geben. Da nahm ich ihn zum zweiten Mal in

Weitere Kostenlose Bücher