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Stein und Flöte

Stein und Flöte

Titel: Stein und Flöte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Bemmann
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Eindruck, daß du noch gar nicht weißt, wohin du willst«, sagte sie.
    »Das werde ich schon herausfinden«, sagte Lauscher und ärgerte sich um so mehr, als er der Kröte recht geben mußte. »Frag doch deinen Stein«, sagte die Kröte. »Wolltest du nicht nach seinem Geheimnis suchen?«
    »Das habe ich lange genug getan«, sagte Lauscher, »aber er hat mir nur Träume vorgegaukelt. Jetzt will ich mir ein Ziel suchen, nach dem man greifen kann.«
    »Du hast dich geändert, seit wir uns zuletzt getroffen haben«, sagte die Kröte. »Gilt dir dein Stein nichts mehr?«
    »Ich fürchte, er hat mich bisher nur in die Irre geführt«, sagte Lauscher. »Arni ist ihm so lange gefolgt, bis er sterben mußte, einen Pfeil in der Brust. Vielleicht hat er sein Leben lang nur geträumt. Aber ich will jetzt versuchen, ob ich nicht aus eigener Kraft etwas zustande bringe.«
    »Was für eine mannhafte Rede!« sagte die Kröte spöttisch. »Dann paß nur auf, daß es dir nicht so geht, wie es meinem Onkel beinahe ergangen wäre!« Nach diesen Worten schüttelte sie noch einmal den Kopf und kroch ins Gebüsch. Lauscher hörte sie noch eine Weile im dürren Laub rascheln und schlief darüber ein. Aber Ruhe fand er auch jetzt noch nicht, denn er geriet unversehens in den

Traum von der Kröte
    Er ritt, angetan mit einem bunten, seidenen Gewand, auf einem kostbar aufgezäumten Pferd durch den Wald und spielte auf einer goldenen Flöte, und jedesmal, wenn er die Flöte absetzte, hörte er, wie die Vögel die gleiche Melodie sangen, die er eben gespielt hatte. Das klang wie ein vielfaches Echo, das gleichzeitig von allen Seiten her zurückgeworfen wurde, aus den Büschen ringsum, von oben aus den Kronen der Bäume und vom Himmel herab, zu dem sich zwischen Geäst und Laub ein Ausblick öffnete. Auch dort in der Höhe zogen Vögel ihre Kreise und wiederholten sein Lied. Es war, als ob alle Vögel ihren eigenen Gesang vergessen hätten und nur noch auf seine Flöte hörten.
    So ritt er flötend dahin, bis er an einen Bach kam, an dessen Ufer er die Kröte sitzen sah: »Siehst du«, sagte er zu ihr, »wie hoch hinaus ich gekommen bin? Selbst die Vögel am Himmel singen nach meiner Flöte. Jetzt singe du auch!« Aber die Kröte sagte nur »Quatsch!« und schwoll dabei ein beträchtliches Stück an. »Warte nur«, sagte er, »ich werde dir die Flötentöne schon beibringen!«, setzte wieder sein Instrument an die Lippen und blies die verlockendsten Melodien, die ihm zu Gebote standen. Doch je länger er flötete, desto gewaltiger wuchs die Kröte, bis ihre goldenen Augen wie zwei riesige Karfunkelsteine auf gleicher Höhe mit seinem Gesicht standen. Er blies und blies, als käme es einzig und allein darauf an, auch die Kröte unter die Gewalt seiner Töne zu zwingen, doch da öffnete die Kröte ihr breites Maul und fing an zu lachen, ihr schreckliches, breit klaffendes Krötenlachen, und die dunkle Höhle ihres Rachens öffnete sich immer weiter und weiter, bis sie den Wald verdeckte und an die Wölbung des Himmels zu stoßen schien. Da sagte die Kröte noch einmal »Quatsch!«, und im gleichen Augenblick hatte sie ihn auch schon verschlungen. Ringsum war nichts mehr als Schwärze und Leere, kein Pferd mehr, keine Flöte, kein kostbares Gewand. Nackt und blind schwebte er im Ungreifbaren, das nirgends einen Halt bot, und er wurde unaufhaltsam hineingezogen in das heulende Entsetzen des Nichts. Er versuchte zu schreien, doch während er schrie, spürte er zugleich, daß sein Schrei in der eigenen Brust steckenblieb und keinen Weg fand in das unendliche leere Grauen, das ihn umgab. »Laß mich aus deinem Rachen, Kröte!« schrie er lautlos in seinem Herzen, und er hatte diese Worte noch kaum gedacht, da wurde er schon ausgespieen aus der Schwärze dieses ungeheuren Mauls und lag, nackt und haarig wie er war, im dürren Laub auf dem Waldboden. »Jetzt weißt du wohl, wie hoch hinaus du es aus dir selbst bringen kannst«, hörte er die Kröte sagen. Sie kicherte noch einmal, doch diesmal jagte ihm ihr Kichern einen Schauer des Entsetzens über den Rücken.

    Er fuhr hoch, als ihn ein Aufplatschen im Bach weckte, doch von der Kröte war nichts mehr zu sehen. Auf der strudelnden Strömung zerscherbte in Tausenden von Lichtfunken das Spiegelbild der schmalen, scharf gezeichneten Mondsichel, die oben zwischen den Zweigen der Fichten am schwarzen Himmel stand. Jalf hatte seinen Kopf längst wieder ins Moos gelegt und schlief. Lauscher fröstelte,

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