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Stein und Flöte

Stein und Flöte

Titel: Stein und Flöte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Bemmann
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ich mir gedacht‹, sagte er, ›daß du einem Kampf ausweichen würdest; denn wir sind in der Überzahl. Kannst du mir auch sagen, wovon ihr leben wollt, wenn es keine Beutezüge mehr geben soll?‹
    ›Darüber wird unsere eigene Ratsversammlung entscheiden, wenn wir anderswo unser Lager aufgeschlagen haben‹, sagte Höni. ›Das soll dann allein unsere Sache sein.‹
    So kam es zur Großen Scheidung der Horde. Höni führte uns sieben Tagesritte weit bis zum Rand des Gebirges zu der Stelle, an der Arnis Hütte steht. Dort schlugen wir unser Lager auf; denn Höni meinte, es sei wohl ein Hinweis darin zu sehen, daß Arni – möge seine Hütte nie verfallen! – sich an diesem Platz angesiedelt hatte.«
    »Das ist dort, wo der Pfad ins Gebirge zu Urlas Haus beginnt«, sagte Lauscher eifrig.
    »So ist es«, sagte Günli überrascht. »Bist du schon dort gewesen?«
    »Nein«, sagte Lauscher, »aber eine Verwandte Urlas hat mir diesen Ort beschrieben.«
    »Wenn Urlas Leute selbst dich in diese geheimnisvollen Zusammenhänge eingeweiht haben«, sagte Günli voll Bewunderung, »dann bist du wahrhaftig ein würdiger Enkel des verehrungswürdigen Sanften Flöters, dessen Flöte nie verstummen möge. Wir errichteten also an diesem Platz unsere Zelte, und am Tag darauf versammelte Höni alle Männer, die mit ihm geritten waren, und beriet mit ihnen, wie sie künftig ihr Leben einrichten sollten. ›Arni hat in seiner Weisheit hier eine Hütte gebaut‹, sagte er, ›und so bin ich der Meinung, daß auch wir für uns und unsere Familien Hütten bauen sollten. Zelte sind die Behausungen von Beutereitern, die von Ort zu Ort ziehen, um Beute zu machen. Da wir jedoch nicht mehr auf diese Weise leben wollen, scheint es mir richtig, daß wir auf andere Art wohnen und auch den Namen der Beutereiter ablegen. Alle, die hier versammelt sind, werden in Zukunft Arnis Leute heißen. Und damit jedermann sehen kann, daß wir nicht mehr darauf aus sind, mit dem Krummschwert Beute einzutreiben, schlage ich vor, daß wir Männer unsere Zöpfe abschneiden und das Haar glatt tragen wie jene Leute, die uns bisher gefürchtet haben.‹
    Diese Rede leuchtete uns allen ein, aber dann stand einer der Männer auf und fragte Höni, wovon wir künftig leben sollten. ›Auch darüber habe ich schon nachgedacht, und zwar schon, bevor mir Hunli diese Frage gestellt hat‹, sagte Höni. ›Ich hielt es nur für unangebracht, vor all denen darüber zu reden, die nicht mit uns ziehen würden. Aber auf unseren letzten Beutezügen habe ich die Augen offengehalten und beobachtet, wovon andere Leute ihren Unterhalt bestreiten. Dabei habe ich zwei Wege gefunden, auf denen wir uns Nahrung oder sogar Reichtümer erwerben können. Der eine davon ist die Viehzucht, denn die haben wir schon immer betrieben. Wir können hier nicht nur am Rande der Steppe Pferde halten, sondern auch auf den grasigen Hängen des Gebirges Schafe weiden lassen, wie es die weise Urla – ihr Geist möge uns beistehen! – seinerzeit getan hat. Und da wir darin geübt sind, durch das Gebiet fremder Völker zu ziehen, können wir außerdem Handel treiben, und das nicht nur mit dem Überschuß, den unsere Viehzucht abwirft. Ich habe oft erfahren, daß manchen Dingen dort, wo sie hergestellt werden oder wo sie in Fülle vorhanden sind, ein geringerer Wert beigemessen wird als an Orten, an denen Mangel daran herrscht oder wo sich keiner auf ihre Herstellung versteht. Ein Mann, der mit ein paar Packpferden durch das Land zieht, kann auf diese Weise zu Gewinn kommen, ohne die Leute zu berauben.‹
    Als ich diese Worte hörte, war ich sehr erleichtert; denn ich hatte mir schon den Kopf zerbrochen, was nun weiter mit uns werden sollte. Auch die anderen priesen Hönis kluge Voraussicht und riefen ihm zu, er solle künftig unser Khan sein. Doch diesen Vorschlag lehnte Höni entschieden ab. ›Bei Arnis Leuten soll es keinen mehr geben, der allein über die anderen zu bestimmen hat‹, sagte er. ›Wir sollten bei allem, was wir tun, gemeinsam beraten und dabei Arnis Worte und Taten bedenken.‹ Als er das gesagt hatte, stand ein anderer auf und sagte: ›Keiner entsinnt sich besser der Worte Arnis als du, Höni. Wenn du schon nicht Khan genannt sein willst, dann wollen wir dich Arnis Stellvertreter nennen und nach deinem Tod jenen zum Nachfolger wählen, der Arnis Worte am besten auszulegen versteht.‹ Da alle diesem Vorschlag zustimmten, nahm Höni diese Würde an, und seither ist er das Oberhaupt

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