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Stein und Flöte

Stein und Flöte

Titel: Stein und Flöte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Bemmann
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ihre Bedeutung oft erst viel später zu begreifen begann. Inzwischen habe ich erfahren, daß es größere Freude macht, mit anderen Leuten Gastfreundschaft zu pflegen, statt sie um der Beute willen zu erschlagen.‹
    Hunli lachte verächtlich. ›Deshalb also hast du deine Sklavinnen in die Hütten der Schlammbeißer zurückgeschickt!‹ sagte er. ›Und ich dachte schon, du hättest ihren fischigen Geruch nicht mehr ertragen können.‹
    ›Die einen riechen nach Fisch, die anderen nach dem Rauch ihrer Schmelzöfen, und wir riechen nach Pferden‹, sagte Höni. ›Auch das habe ich aus Arnis Worten gelernt, daß es töricht ist, über die Andersartigkeit von Fremden zu spotten. Oder meinst du nicht, daß manche Leute jenseits der Steppe unsere Zöpfe lächerlich finden, weil bei ihnen nur die Weiber Zöpfe tragen?‹
    ›Du redest wenig ehrerbietig mit dem Khan‹, sagte Hunli wütend. ›Außerdem zeigen deine Worte, daß du die Sitten der Horde verachtest. Wenn dies die Weisheit Arnis sein soll, dann will ich nichts mehr davon hören, denn du beleidigst meine Ohren.‹
    Aber Höni ließ sich nicht einschüchtern. ›Ich rede so‹, sagte er, ›weil du uns aufgefordert hast, unsere Meinung zu sagen. Auch verachte ich die Gewohnheiten der Horde nicht. Aber das, was uns vertraut erscheint, ist noch lange nicht alles, wie Arni zu sagen pflegte. Er meinte damit wohl, daß es daneben noch andere, durchaus nicht schlechtere Arten gebe, sein Leben zu führen. Vielleicht sogar bessere, die wir noch nicht kennen. Danach war er wohl sein Leben lang auf der Suche.‹
    ›Merkst du nicht, wie du dich selber mit deinen eigenen Worten verurteilst?‹ schrie Hunli. ›Ist es nicht schändlich, wenn ein erwachsener Mann damit anfängt, seine Meinung zu ändern?‹ und dabei blickte er sich Zustimmung heischend im Kreis der Zuhörer um. Einige der sitzenden Männer nickten beifällig, aber es gab auch viele, die weiter bewegungslos vor sich hinstarrten. Auch Höni gab sich nicht geschlagen. Er blickte Hunli ins Gesicht und sagte: ›Wenn du so redest, dann wundert mich nicht, daß du Arnis Weisheit nicht begreifen kannst. Ist es nicht die größere Schande, seine Meinung nicht zu ändern, wenn man erkannt hat, daß sie falsch ist? Ich will dir sagen, Hunli, warum ich Arni für den größten Mann halte, den die Horde je hervorgebracht hat: Er hatte den Mut, sich um dessentwillen, was er für die Wahrheit hielt, gegen die gesamte Horde zu stellen, selbst auf die Gefahr hin, daß viele ihn verachteten.‹
    ›Viele?‹ sagte Hunli geringschätzig. ›Doch wohl fast alle. Oder ist es nicht so?‹
    Nach diesen Worten Hunlis wendete sich Höni an die Ratsversammlung und sagte: ›Wenn hier noch mehr Männer sind, denen die Taten und Worte Arnis zu denken gegeben haben, dann sollten sie jetzt aufstehen.‹
    Bisher waren alle gespannt dem Streitgespräch zwischen Hunli und Höni gefolgt, doch als nun diese Aufforderung an sie erging, blickten die Männer einander bestürzt an; denn inzwischen war allen klar geworden, daß sich hier eine Entscheidung anbahnte, die nicht ohne Folgen für den Bestand der Horde bleiben konnte. Ich hatte nach Arnis Tod – möge sein Andenken weiterleben! – mit Höni und auch mit anderen schon oft über diese Dinge gesprochen und dabei manche seiner Worte besser begreifen gelernt, doch auch ich blieb zunächst noch sitzen; denn es erschien mir unerhört, daß man sich so gegen den Khan stellen könne. Aber dann standen nacheinander einige Männer auf, darunter auch ein paar meiner Freunde, und ich begriff, daß es nun an der Zeit war, Zeugnis abzulegen für die erhabene Weisheit Arnis. So stand auch ich auf, und mit mir erhoben sich noch viele Männer von ihren Plätzen. Es war etwa ein Drittel der Horde, das sich bei dieser Ratsversammlung auf die Seite Hönis schlug.
    Hunli wurde bleich, als er um sich blickte. ›Nun kannst du sehen, Höni‹, sagte er grimmig, ›wohin uns Arni gebracht hat: Er hat die Einheit der Horde zerstört. Was gedenkt ihr nun weiter zu tun? Sollen wir übereinander herfallen wie Feinde?‹
    Höni schüttelte den Kopf. ›Hast du noch immer nicht begriffen, Hunli‹, sagte er, ›daß es sinnlos ist, Meinungsverschiedenheiten mit dem Gürtelmesser auszutragen? Mir scheint, du bist umsonst in Urlas Hütte gewesen. Ich werde noch heute dein Lager verlassen, und jeder, der Arnis Weg gehen will, soll seine Zelte abbrechen und mit mir ziehen.‹
    Hunli lachte spöttisch. ›Das habe

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