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Stein und Flöte

Stein und Flöte

Titel: Stein und Flöte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Bemmann
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Gebirges untertauchte. In seiner Verzweiflung zog er seine silberne Flöte hervor, setzte sie an die Lippen und rief um Hilfe:
    Herbei, herbei
    in Steppe und Wald,
    wer immer es sei,
    er komme bald,
    ob Amsel, ob Kröte,
    ob Eselein,
    er folge der Flöte
    und finde sich ein,
    denn ich trag den Stein!
    Als er die Flöte absetzte, antwortete dicht über seinem Kopf ein vertrauter Dreiklang. Er blickte auf und sah auf dem untersten Zweig einer Birke die Amsel sitzen. »Hast du dich wieder einmal verlaufen?« sagte sie. »Hier in diesem fremden Land kann ich dir den Weg nicht zeigen. Ich habe immer nur gewußt, in welcher Richtung es zum Haus deines Großvaters geht, aber dorthin willst du jetzt wohl nicht reiten, denn du hast anderes im Sinn.«
    »Willst du mir nicht helfen?« fragte Lauscher.
    »Ich kann nicht«, sagte die Amsel. »Es wird schon dunkel, und in der Nacht fürchte ich mich. Ich werde mir jetzt einen hohen Zweig als Schlafplatz suchen. Reite nur weiter! Du wirst schon irgendwo ankommen.« Sie flötete noch einmal ihren Dreiklang, flog hinüber zum Wald und tauchte im Dunkel der Baumkronen unter.
    Da trieb Lauscher sein Pferd weiter und ritt den Weg zwischen Steppe und Berghang entlang, bis der letzte Streifen Abendrot über den Wipfeln verblaßte. Finsternis kroch über den Himmel heran, und er wußte nicht, war es die Nacht, die hereinbrach, oder stieg ihm seine Schwäche schwarz vor den Augen auf. Er hielt sein Pferd wieder an und rief zum zweiten Mal um Hilfe:
    Herbei, herbei
    in Steppe und Wald,
    wer immer es sei,
    er komme bald,
    nicht Amsel, doch Kröte
    und Eselein,
    ach, folgt meiner Flöte
    und findet euch ein,
    denn ich trag den Stein!
    Kaum hatte er zu Ende gespielt, raschelte es vor den Hufen von Schneefuß im Gebüsch, und die Kröte kroch hervor. »Weißt du nicht mehr weiter, Lauscher«, sagte sie kichernd, »daß du so erbärmlich um Hilfe rufst? Ich dachte, du wolltest es aus eigener Kraft zu etwas bringen? Hat dir das bißchen Hunger schon den Mut genommen? Du wirst noch viel schlimmeres Elend ertragen müssen, wenn du dein Ziel finden willst!«
    »Willst du mir nicht helfen?« fragte Lauscher.
    »Ich kann nicht«, sagte die Kröte. »Weiß ich denn, worauf du aus bist? Außerdem krieche ich viel zu langsam, als daß ich dir Hilfe holen könnte. Da muß du dich schon auf dein Pferd verlassen. Reite nur weiter! Du wirst schon irgendwo ankommen.« Die Kröte blickte ihn noch einmal mit ihren schönen Goldaugen an, dann schüttelte sie den Kopf und kroch langsam davon.
    Lauscher schaute ihr nach, bis sie zwischen den breiten Huflattichblättern am Wegrand verschwand.
    Als er sein Pferd im Schritt weitergehen ließ, konnte er vor den Hufen kaum noch den Weg erkennen. Im Osten breitete sich die endlose Steppe aus und verschmolz mit dem schwarzen Nachthimmel. Lauscher starrte hinaus in die Finsternis, um irgendwo ein Licht, den Widerschein eines Feuers zu entdecken, doch es flimmerte vor seinen Augen. Waren das Sterne, die in flammenden Bogen über den Himmel zogen oder in seinem Hirn kreisten? Schwindel erfaßte ihn, er wankte und glitt aus dem Sattel, während Schneefuß neben ihm stehenblieb und sein Gesicht mit schnaubenden Nüstern betastete. Mit letzter Kraft setzte Lauscher noch einmal seine Flöte an die Lippen und rief zum dritten Mal um Hilfe:
    Herbei, herbei
    in Steppe und Wald,
    wer immer es sei,
    er komme bald,
    Weder Amsel noch Kröte,
    doch mein Eselein,
    komm, folge der Flöte
    und finde dich ein,
    denn ich trag den Stein!
    In den letzten Ton der Flöte mischte sich schon das Trappeln von Hufen, das sich von der Steppe her näherte. Lauscher öffnete die Augen und sah seinen Esel in gestrecktem Galopp heransprengen. Er flog in kühnem Satz über die letzten Büsche und bremste dann seinen Lauf so jäh, daß Schneefuß erschreckt zur Seite tänzelte.
    »Da bist du ja endlich, Jalf«, sagte Lauscher. »Willst auch du mir nicht helfen?« Jalf stieß einen wilden Eselsschrei aus und sang:
    Ich folge der Flöte
    und helfe dir bald,
    eh Morgenröte
    steigt über den Wald.
    Wer immer es sei,
    dein Eselein,
    das holt ihn herbei
    vor der Sonne Schein,
    denn du trägst den Stein.
    »Dann lauf schnell und suche Arnis Leute«, sagte Lauscher, »damit ich hier nicht Hungers sterben muß.«
    Jalf nickte dreimal, zum Zeichen, daß er verstanden hatte, und preschte ebenso schnell davon, wie er gekommen war. Das Getrappel seiner Hufe entfernte sich rasch und verklang in der Ferne. Lauscher

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