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Stein und Flöte

Stein und Flöte

Titel: Stein und Flöte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Bemmann
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wie die Hand des Herzogs das Knie der Schönen in festem Zugriff umspannte. ›Greif nur zu, Herzog!‹ spielte Lauscher. ›Sie ist die Schönste unter all den Damen hier, und deshalb gehört sie dir. Nimm dir, wonach dich gelüstet! Es gibt hier keinen, der imstande wäre, dir irgend etwas zu verwehren, und die Schöne selbst kann es kaum erwarten, den starken Herzog Gelimund in ihrem Schoß zu empfangen.‹
    Damit beendete Lauscher dieses zweite Lied. Der Herzog sprang auf, lief auf ihn zu und umarmte ihn. »Du bist der beste Flöter, den ich je gehört habe!« rief er. »Verlange, was du willst! Ich muß dich an meinem Hof haben.«
    Jetzt, da sie die Begeisterung ihres Herrn sahen, stimmten auch die Höflinge in seinen Beifall ein und lobten Lauschers Kunst in den höchsten Tönen. Als der Herzog ihn weiter bedrängte, seine Wünsche zu äußern, bedachte sich Lauscher einen Augenblick und sagte dann: »Gib mir Wohnung auf deinem Schloß und ein neues Kleid, damit du dich meiner nicht zu schämen brauchst. Dann will ich dir gerne zu Diensten sein.«
    »Du bist zu bescheiden«, sagte Gelimund. »Aber damit verschaffst du mir das Vergnügen, dich nach meinem Willen zu beschenken.« Er streifte einen kostbaren Rubinring vom Finger, steckte ihn Lauscher an und sagte: »Nimm dies als ersten Beweis meiner Gunst und trage ihn stets am Finger, damit jedermann sehen kann, daß du der Flöter Herzog Gelimunds bist!«
    Lauscher mußte an Gelimunds linker Seite sitzen, als das Essen aufgetragen wurde. Die Knechte breiteten vor der lagernden Gesellschaft leinene Tücher auf den Rasen und brachten gesottenen Fisch und gebratenes Wildbret, allerlei Salate, Saures und Scharfes, und schenkten dazu goldgelben Wein in die silbergetriebenen Becher. Und während sie lagen und tranken, spielte Lauscher für jeden, der ihn darum bat, ein Lied, so daß er, als sie schließlich aufbrachen, die meisten der Jagdgäste zu seinen Freunden gemacht hatte.
    Sie ritten vergnügt durch das Tal, erst über Wiesen und Weiden, später zwischen Äckern und durch Dörfer, bis endlich Schloß Raghoch vor ihnen auftauchte. Mit unzähligen Türmen und Zinnen krönte es einen steilen Felskegel, der dreifach von Mauern umgürtet war. In den Fenstern spiegelte sich tausendfach die Abendsonne, das funkelte und gleißte, als sei das Schloß mit flüssigem Gold überzogen. Als sie näher heranritten, hörte Lauscher, wie ein Trompetensignal vom höchsten Turm ihr Kommen ankündigte. Rasselnd wurden Zugbrücken niedergelassen und Fallgatter hochgezogen, damit der Herzog samt seinen Begleitern ungehindert einreiten konnte. Als sie den steilen Weg durch den dreifachen Mauerring hinter sich gebracht hatten und in den Schloßhof einritten, staunte Lauscher über die Pracht der mit kunstvoller Steinmetzarbeit verzierten Fassaden, Türme und Erker. Schloß Barleboog hätte daneben wie eine Bauernhütte gewirkt.
    Noch an diesem Abend ließ der Herzog ein Fest ausrichten, auf dem alle seine Spielleute um die Wette singen, fiedeln und flöten sollten. Die ganze Jagdgesellschaft und dazu eine große Schar von Höflingen versammelte sich in einem Saal, dessen prunkvolle Ausstattung alles übertraf, was Lauscher je gesehen hatte. Die langen Tische waren gedeckt mit Geschirr aus massivem Gold, und die Speisen, die aufgetragen wurden, waren so erlesen, daß Lauscher zumeist überhaupt nicht wußte, was er aß.
    Bei diesem Festmahl hatte man Lauscher einen Platz unter den Spielleuten zugewiesen, die am unteren Ende der Tafel saßen. Als die Speisen abgetragen waren, winkte der Herzog Lauscher zu sich und sagte: »Warte, bis alle anderen gesungen oder gespielt haben! Ich möchte dich als Überraschung bis zum Schluß aufsparen.« Dann gab er seinen Spielleuten das Zeichen, mit ihrem Wettkampf zu beginnen.
    Lauscher hörte bald, daß hier Meister ihres Fachs versammelt waren. Als erster spielte ein Fiedler, dessen Fingerfertigkeit ans Unglaubliche grenzte. Er ließ seinen Bogen schwirrend über die Saiten springen und entlockte damit seinem Instrument solch verwegene Läufe und Triller, daß den Zuhörern der Atem stockte. Aber Lauscher merkte zugleich, daß dieses Spiel sich in bloßer Kunstfertigkeit erschöpfte, und wenn es überhaupt etwas zum Ausdruck brachte, dann die Eitelkeit dieses Fiedlers, mit der er sich selbst durch sein Spiel darstellte.
    Als nächstes folgte ein Harfenspieler, der die Saiten seines handlichen Instruments mit äußerster Zierlichkeit zu zupfen

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