Stein und Flöte
schön. Hier möchte ich wohnen, dachte er, und während er noch diesem Wunsch nachhing, hörte er vom Waldrand her Hörner blasen. Er blickte hinauf und sah eine vornehme Jagdgesellschaft zwischen den Bäumen hervorreiten, Damen und Herren in bunten Gewändern, dazu eine Schar von Jagdknechten mit einer Hundemeute. Am Waldrand machten sie Halt. Einer der Herren, der einen goldenen Reif um den Jagdhut trug und der vornehmste zu sein schien, gab einen Befehl, und alsbald sprangen die Knechte von den Pferden, schlugen ein Zelt auf und begannen eine Mahlzeit vorzubereiten. Die Jagdgesellschaft lagerte sich unterdessen auf dem Rasen, Lauscher hörte Scherzrufe und Lachen herüberklingen und wünschte sich, mitten unter diesen fröhlichen Damen und Herren zu sein. ›Dann reite doch hin!‹ hörte er eine Stimme sagen, und da lenkte er auch schon sein Pferd vom Wege ab und ritt auf das Lager der Jagdgesellschaft zu.
Als er bei den Pferden der Jäger angekommen war, stieg er ab und wollte hinüber zu der lustigen Gesellschaft gehen. Da trat ihm einer der Jagdknechte in den Weg und fragte ihn ziemlich unfreundlich, was er hier zu suchen habe. Lauscher wußte nichts Rechtes zu antworten, denn er konnte ja nicht gut sagen, daß er Lust danach verspüre, mit den Herrschaften zu speisen. »Dann mach, daß du wegkommst«, sagte der Knecht, »sonst hetze ich dir die Hunde auf den Hals!«
»Das kannst du ja versuchen«, hörte Lauscher sich selber sagen und erschrak im gleichen Augenblick über seine eigenen Worte. Ich muß den Verstand verloren haben, dachte er. Während er noch unschlüssig dastand und zusah, wie der Jagdknecht hinüber zu den Hunden lief, hörte er wieder diese Stimme. ›Nimm deine Flöte!‹, sagte sie. ›Mach dir die Hunde gefügig!‹ Als Lauscher seine Flöte aus der Tasche zog, war der Knecht bei den Hunden angekommen und löste die Leinen. Kläffend jagte die Meute auf Lauscher zu, doch der hob jetzt seine Flöte an die Lippen und fing an zu spielen. ›Kommt zu mir, meine Hündchen!‹ flötete er. ›Zeigt mir eure lustigsten Sprünge! Kommt, laßt euch streicheln und kraulen! Leckt mir den Staub von meinen Stiefeln und wedelt mit euren Schwänzen!‹ Und alsbald ging das Gekläff in fröhliches Jaulen über, die ganze Meute wuselte rings um den Flöter, und manche der Hunde legten sich gar mit angezogenen Pfoten auf den Rücken, damit Lauscher sie zwischen zwei Trillern rasch auf dem Bauchfell kraulen konnte.
Der Knecht stand verblüfft dabei und wußte nicht, was er tun sollte. Durch das Flöten wurde jetzt auch die Herrschaft aufmerksam. Einige standen auf und kamen herübergeschlendert, darunter auch der vornehme Mann mit dem Goldreif auf dem Hut. »Was ist das für ein Spektakel?« fragte er den Knecht, doch der stammelte nur: »Ich habe die Hunde auf den Fremden gehetzt, Herr …«
Als er das sagte, fingen die vornehmen Damen und Herren an zu lachen. »Er hat die Hunde auf ihn gehetzt!« wiederholten sie ein um das andere Mal und konnten sich nicht fassen vor Vergnügen.
»Offenbar hast du wenig Erfolg dabei gehabt«, sagte der mit dem Goldreif. Dann wendete er sich an Lauscher und sagte: »Wenn du genug mit den Hunden gespielt hast, würde ich gern erfahren, wer du bist.« Er sagte das ziemlich beiläufig, aber dennoch war ein Ton in seiner Stimme, der es ratsam erscheinen ließ, seinem Wunsch sofort nachzukommen.
›Lauft zu euren Leinen und legt euch hin, meine Hündchen!‹ flötete Lauscher. Während die Meute davonstob, um sich an ihrem Platz friedlich ins Gras zu legen, trat Lauscher vor den vornehmen Mann, verbeugte sich und sagte: »Mein Name ist Lauscher, Herr.«
»Weißt du, vor wem du stehst?« fragte der Vornehme.
»Nein, Herr«, sagte Lauscher. »Ich sah euer Lager und ritt herauf.«
»Dann sag’s ihm, du tüchtiger Hundehetzer!« sagte der Vornehme zu dem Knecht. Man konnte sehen, wie die Wichtigkeit dieses Auftrages den Mann aus seiner Verwirrung riß und aufrichtete. »Höre!« sagte er zu Lauscher. »Du stehst vor Herzog Gelimund, dem Herrn auf Schloß Raghoch und des ganzen Landes ringsum, so weit das Auge reicht.« Er verbeugte sich tief vor seinem Herrn, und auch Lauscher wiederholte seine Verneigung und sagte: »Ich grüße dich, Herzog Gelimund!«
»Und was tust du, wenn du nicht gerade flötest?« fragte der Herzog.
»Nichts«, sagte Lauscher, »denn ich bin nichts als ein Flöter.«
»So ist das also«, sagte der Herzog. »Du suchst wohl einen Platz unter
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