Stein und Flöte
meinem Gesinde? Da mußt du schon mehr können, als Hunden vorzupfeifen, Lauscher. Ich habe die besten Spielleute an meinem Hof, und du scheinst mir noch ziemlich jung zu sein.«
»Das Alter macht nicht den guten Flöter«, sagte Lauscher. »Du hast noch nicht gehört, wie ich vor Menschen spiele.«
Der Herzog runzelte die Brauen. »Sonderlich bescheiden bist du gerade nicht«, sagte er. »Ich warne dich! Wenn uns dein Spiel nicht gefällt, werde ich meine Hunde schon zum Beißen bringen. Willst du es trotzdem wagen?«
»Ich vertraue auf meine Kunst«, sagte Lauscher.
»Dann komm und zeig uns, was du kannst«, sagte der Herzog und befahl Lauscher, ihn zu den Herrschaften zu begleiten. Während sie zu dem Kreis der Damen und Herren hinübergingen, Lauscher ein Stück hinter dem Herzog, hörte er wieder die Stimme. ›Mach sie dir gefügig!‹ sagte sie. ›Spiel so, daß sie deine Flöte immer wieder hören wollen!‹
Der Herzog wies Lauscher an, sich in der Mitte des Kreises aufzustellen, in dem sich die Damen und Herren gelagert hatten, und forderte seine Jagdfreunde auf, diesem Flöter, der ziemlich von sich eingenommen sei, aufmerksam zuzuhören. »Wir werden auf jeden Fall unseren Spaß haben«, sagte er. »Entweder ist der Bursche wirklich so gut, wie er behauptet; dann steht uns ein erlesener Kunstgenuß bevor. Oder er taugt nichts, und dann werden wir auf unsere Weise Spaß mit ihm treiben.« Er setzte sich zu einer schönen dunkelhaarigen Dame auf den Rasen, legte den Kopf in ihren Schoß und gab das Zeichen zum Beginn.
Lauscher verbeugte sich vor den Zuhörern, die lachend ihre Bemerkungen über seine wenig höfische Kleidung machten, schaute dann in die Runde und blieb mit dem Blick in den spöttisch funkelnden Augen der dunklen Schönen hängen, der Herzog Gelimund seine Gunst zugewendet hatte. Jetzt erst hob er die Flöte an die Lippen und fing an zu spielen. Er flötete eine schmeichelnde Melodie, die wie eine Frage klang. ›Was würdest du gerne hören, Schöne?‹ dachte er dabei. Wie zur Antwort ordnete die Dame mit geziert gespreizter Hand ihr Haar und rückte den Perlenkranz zurecht, der matt schimmernd ihre aufgesteckten Flechten durchzog. ›Schön willst du also sein‹, dachte Lauscher, und seine Flöte sprach: ›Du bist die Schönste hier, edle Dame. Keine kommt dir gleich. Dein Haar glänzt wie das Gefieder der Stare, und wenn du lachst, schimmern deine Zähne noch ebenmäßiger als die Perlen in deinem Haar. Und weil du die Allerschönste bist, gehört dir auch der Herzog.‹ Er sah, wie die Dame ihre schmalen Finger in das krause blonde Haar des Herzogs grub. ›Er ist schon in deiner Hand, der große Herzog‹, flötete Lauscher weiter, ›und du weißt das. Er wird nun immer das tun, was du willst, denn du bist hier die wahre Herrin.‹
Lauscher sah, wie während seines Spiels der Spott aus dem Gesicht der dunklen Schönheit schwand und zunächst dem Ausdruck des Erstaunens Platz machte. Dann begann ihr Gesicht vor Stolz zu glühen, und sie lauschte hingerissen diesem Loblied auf die Macht ihrer Schönheit.
Als Lauscher sein Spiel beendet hatte, beugte die Schöne ihren Kopf zum Ohr des Herzogs und flüsterte ihm etwas zu. Der Herzog nickte Gewährung, zog ein Goldstück aus dem Beutel an seinem Gürtel und warf es Lauscher zu, der es geschickt auffing. »Auf sanfte Lieder für schöne Damen verstehst du dich, wie ich höre«, sagte er. »Offenbar habe ich dich unterschätzt. Jetzt zeig uns, ob du auch für Männer zu spielen weißt!«
Lauscher verbeugte sich aufs neue und faßte nun den Herzog selbst ins Auge. Wieder begann er sein Spiel mit einer Frage und beobachtete dabei seinen Zuhörer genau, der nun aufrecht neben seiner Dame saß. Der Herzog hielt den Kopf hoch erhoben, so daß sein gespaltenes, kräftig gerundetes Kinn hervortrat, und blickte hochmütig über die Jagdgesellschaft hinweg. Seine rechte Hand lag auf dem Knie der dunklen Schönen. ›Du tust dir viel zugute auf deine Stärke, Herzog‹, dachte Lauscher. ›Das Vergnügen kann ich dir machen.‹ Und er ließ seine Flöte zum Herzog sprechen: ›Mit Recht trägst du deinen goldenen Reif, Herzog Gelimund, denn du bist der beste und stärkste Mann hier im Kreis und auch weit über die Grenzen deines Landes hinaus. Du gleichst dem gewaltigen Löwen mit deinem krausen Blondhaar, und wenn du die Brauen runzelst, ducken sich deine Höflinge. Keine Frau könnte dir widerstehen, wenn du sie begehrst.‹ Lauscher sah,
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