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Stein und Flöte

Stein und Flöte

Titel: Stein und Flöte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Bemmann
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Lichtung? Er badete im Wind, ließ sich treiben, pfeilte im Sturz abwärts bis dicht über die Wipfel, stieg wieder in die Höhe und stand flatternd über dem Wald, der für ihn nichts mehr bedeutete als die Möglichkeit, auf irgendeinem Ast aufzubaumen.

    Als er erwachte, sah er noch immer diese grünen Augen. Er lag unter weichen Wolldecken auf dem kühlen Leinenzeug eines breiten Bettes, an dessen Seite Hönis Tochter saß und ihn anblickte. »Falkenmädchen!« sagte Lauscher noch halb im Schlaf.
    Narzia lächelte. »Einen hübschen Namen gibst du mir, kaum daß du die Augen aufgeschlagen hast«, sagte sie. »Und wir hatten schon befürchtet, daß du sie nie wieder öffnest: Weißt du, wie lange du geschlafen hast?«
    Lauscher versuchte seine Gedanken zu ordnen, und dabei fiel ihm ein, auf welche Weise er sich bei seiner Ankunft auf den Beinen gehalten hatte. »Genau drei Tage«, sagte er lachend.
    Als sie das hörte, blickte Narzia ihn nachdenklich an. »Da weißt du ja wirklich sehr genau Bescheid«, sagte sie. »Man könnte fast meinen, du hättest uns diesen Schrecken absichtlich eingejagt, als du plötzlich vom Stuhl fielst wie einer, den der Schlag getroffen hat.«
    »Entschuldige, daß ich euch erschreckt habe«, sagte Lauscher ausweichend. Von dem geheimnisvollen Krüglein wollte er ihr lieber nichts verraten, ehe er nicht genauer wußte, woran er mit ihr war. Außerdem hätte es auch beschämend für ihn erscheinen können, daß er diesen wirkungsvollen Trank ohne Not benutzt hatte, wie sie sich leicht hätte ausrechnen können. Er sagte ihr also nur, daß er zwei Tage lang kaum gegessen und geschlafen habe, und erzählte ihr auch, wie er in Hunlis Hand gefallen war.
    »Du mußt sehr schlau sein, daß du ihm entkommen konntest«, sagte Narzia. Lauscher lächelte. »Er wußte nicht, daß er den Erben des Sanften Flöters vor sich hat«, sagte er und berichtete, wie er die Horde hinaus in die Steppe gescheucht hatte. Wenn er Narzia damit hätte zum Lachen bringen wollen, so hatte er es falsch angefangen. Auf ihrer Stirn bildete sich eine steile Falte. »Mußtest du dir den Khan um jeden Preis zum Feind machen?« fragte sie zornig. »Nach allem, was ich von deiner Flöte weiß, hättest du dir mit ihrer Hilfe die Freiheit verschaffen können, ohne Hunli Schaden zuzufügen. Jetzt wird er dich so lange suchen, bis er dich gefunden hat. Und beim nächsten Zusammentreffen wird er sich vorsehen; denn dann wird er wissen, mit wem er es zu tun hat.«
    »Meiner Spur wird er schwerlich folgen können«, sagte Lauscher und schilderte, auf welchem Weg er ins Dorf gekommen war.
    »Ein bißchen Verstand hast du wenigstens bewiesen«, sagte Narzia. »Doch du hättest es dir sparen können, Hunli solchen Schimpf anzutun.«
    Lauscher blickte sie überrascht an. »Ich hatte nicht erwartet, daß man sich bei Arnis Leuten solche Sorgen um Hunlis Wohlergehen macht«, sagte er. »Die Große Scheidung scheint wohl gar nicht so groß gewesen zu sein, wie man mir erzählt hat.«
    »Du sprichst wie ein Kind, das schon alles zu wissen meint, wenn man ihm eine Geschichte erzählt hat«, sagte Narzia. »Ich sehe schon, daß du noch viel zu lernen hast. In dieser Sache hier verhält es sich so: Die Große Scheidung war endgültig und hat uns auf immer von der Horde getrennt. Aber Hunli hat uns ohne Kampf ziehen lassen und wird auch künftig nichts gegen uns unternehmen. Er würde Schande über sich bringen, wenn er gegen die Gefolgsleute seines Bruders kämpfen würde. Arni, sein Name möge nie vergessen werden, schützt uns auch noch im Tode. Und wir brauchen diesen Schutz. Wie sollen wir Vieh züchten und Handel treiben, wenn uns Hunlis Reiter ständig auf den Fersen sind? Siehst du jetzt, in welche Gefahr du uns gebracht hast?«
    Das sah Lauscher jetzt allerdings deutlich genug. »Willst du, daß ich euer Dorf wieder verlasse?« fragte er zerknirscht.
    Narzia lächelte über seinen Eifer, diesen Fehler wieder gutzumachen, und schüttelte den Kopf. »Nein, Lauscher«, sagte sie, »das will ich nicht. Dies ist dein Haus und wird dein Haus bleiben. Was dort draußen in der Steppe geschehen ist, wiegt nicht viel gegen die Tatsache, daß du Arnis Stein trägst; denn er wird gewußt haben, warum er ihn dir gab. Es wird sich schon ein Weg finden, Hunlis Zorn zu besänftigen. Mit deiner Flöte läßt sich ja offenbar allerhand zu Wege bringen. Du solltest nur ein wenig sanfter mit ihr umzugehen lernen.«
    »Ich will’s versuchen«, sagte

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