Stein und Flöte
ist überall grünes, fettes Weideland, das Gras ist frisch und nicht so grau und hart wie in der Steppe, durch die sie viele Tage lang geritten waren. Überall sieht man die Herden grasen, breit gehörnte Rinder und schlanke, hochgebaute Pferde mit schmalen Köpfen.
Irgendwann trafen sie dort auf eine Schar bewaffneter Reiter. Mein Vater zeigte ihnen seine flachen Hände zum Zeichen des Friedens und ritt allein zu ihnen hinüber. Die Männer waren auf der Jagd, und einige von ihnen trugen gezähmte Falken auf der Faust. Sie musterten geringschätzig das kleine, struppige Steppenpferd meines Vaters, aber da er eine Botschaft des Khans zu überbringen hatte, tat er, als habe er ihre Blicke nicht bemerkt und sagte ihnen, daß er als Gesandter Khan Hunlis zum Großmagier unterwegs sei. Daraufhin behandelten ihn die Falkenjäger mit größerer Höflichkeit, brachen ihre Jagd ab und erboten sich, die Gesandtschaft der Beutereiter auf ihrem Weg zur Hauptstadt, die sie Falkenor nennen, zu begleiten. Zwei von ihnen ritten voraus, um die Gesandten des Khans anzukündigen.
Drei Tage ritten sie noch durch die saftigen Auen am Braunen Fluß, der dort schon so breit ist, daß die Pferde, die am anderen Ufer weiden, so klein wie Ameisen aussehen. Gegen Abend des dritten Tages tauchte dann aus dem Dunst ein seltsamer Berg, der aussah, als habe man ihn aus einem riesigen Erdhaufen mit dem Messer treppenförmig zurechtgeschnitten. Als mein Vater fragte, was dies für ein Berg sei, lachten die Falkenjäger, und einer von ihnen sagte, dies sei das Haus des Großmagiers zu Falkenor.
Je weiter sie ritten, desto höher hob sich dieser Berg, der ein Haus sein sollte, aus der Ebene empor, und rings um ihn sah man die würfelförmigen Steinhäuser der Falkenleute hinter der fünfeckigen Mauer, die Falkenor umschließt. Als sich das Haus des Großmagiers schon bis in den Himmel zu türmen schien, ertönte von seiner höchsten Terrasse ein Trompetensignal, und gleich darauf quollen Hunderte von Reitern aus einem Tor in der Mauer und sprengten ihnen entgegen. Mein Vater und seine Reiter wurden von den Falkenjägern gebeten, ihre Pferde anzuhalten und abzusteigen. Gleich darauf waren die anderen Reiter heran, allen voran ein in blutrote Seide gekleideter schwarzbärtiger Mann, der einen herrlichen Falken auf der Faust trug. Mein Vater fragte seine Begleiter nach dem Namen dieses Mannes und erfuhr, dies sei Wendikar, der Hüter der Falken.
Als er mir von dieser Begegnung erzählte, sagte mein Vater, er habe sich damals gefragt, ob es als Beleidigung anzusehen sei, daß man zu seinem Empfang einen Mann geschickt habe, dem nichts weiter anvertraut sei als die Pflege von Jagdfalken. Gewundert habe er sich allerdings schon, wie prächtig ein solcher Bediensteter dortzulande gekleidet sei, und auch am Benehmen dieses Falkenhüters habe er nichts auszusetzen gehabt; denn dieser sei sogleich vom Pferd gestiegen, habe ihn mit großer Höflichkeit begrüßt und ihm dabei als Geschenk für den Khan jenen Falken überreicht, den er auf der Faust getragen habe. Dann sei er an seiner Seite durch das Tor in die Stadt eingeritten.
Die Straße führte vom Tor aus schnurgerade auf das Haus des Großmagiers zu. Die Leute, denen sie begegneten, traten zur Seite und verbeugten sich so tief, daß mein Vater sich wunderte, welche Ehre man hier den Abgesandten des Khans erwies. Allerdings kamen ihm mit der Zeit Zweifel, ob diese Verneigungen ihm galten; es schien ihm vielmehr, als blicke jedermann auf den Hüter der Falken, der neben ihm ritt. Wendikar beachtete die Leute allerdings nicht, sondern blickte geradeaus, wie es sich für einen Diener gehört, der einen hohen Gast zu begleiten hat.
Wie die Stadt, so war auch das gewaltige Haus des Großmagiers wieder von einer fünfeckigen Mauer umgeben. Mein Vater konnte sich das Bauwerk später genau ansehen und sagte, daß die Mauer auf jeder ihrer fünf Seiten ein Tor besitze, von dem aus eine Straße zu einem der fünf Tore in der Stadtmauer führe. Auf eines der inneren Tore ritten sie jetzt zu, und als sie dicht davor waren, wurde es geöffnet. Sie gelangten so in einen Innenhof, der das Haus umgibt. Dort standen Bedienstete bereit, die ihnen die Pferde abnahmen, doch als mein Vater einem dieser Leute auch den Falken übergeben wollte, zog Wendikar die Bauen hoch und bedeutete ihm, daß er das Tier weiterhin auf der Faust behalten solle. Er war es auch, der die Gesandtschaft ins Haus führte. Das Gefolge meines
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