Stein und Flöte
gewarnt.«
Wenige Tage später ritt Lauscher wieder allein stromaufwärts am Braunen Fluß entlang. Diesmal hatte er sich seinen Wallach gesattelt und führte den Zuchthengst am Halfter neben sich; denn er wollte ihn durch den langen Heimritt nicht unnötig ermüden, damit er ihn dann in all seiner Pracht und Eleganz bei Arnis Leuten vorführen konnte.
Je weiter er vorankam, desto deutlicher wurden die Anzeichen des beginnenden Herbstes. Das Gras längs des Weges war längst abgeblüht und zu grauen, strähnigen Büscheln verfilzt, das Laub an den Büschen und Bäumen der Uferwälder zeigte schon gelbe und blaßrote Flecken. Überhaupt wurde es merklich kühler, und ein steifer Wind trieb von Zeit zu Zeit Regenschauer über die weite Ebene heran, aber Lauscher spornte sein Pferd nicht deshalb zur Eile. Immer wieder malte er sich die Szene seiner Ankunft im Dorf von Arnis Leuten aus, sah die Bewohner zusammenlaufen, ritt jedoch achtlos an ihnen vorbei bis zu Hönis Haus und wartete, bis Narzia aus der Tür trat und ihm entgegenkam. Nichts würde dann mehr zwischen ihnen stehen. Er konnte es kaum erwarten, bis all dies Wirklichkeit wurde, und blieb oft, wenn es der Weg erlaubte, bis tief in die Nacht hinein im Sattel, um die Strecke zu verringern, die ihn noch von seinem Falkenmädchen trennte.
Die Grenze zwischen Grasland und Steppe war zu dieser Jahreszeit kaum auszumachen, aber eines Tages wurde Lauscher dann doch bewußt, daß er die Weidegebiete der Falkenleute hinter sich gelassen hatte. Unter dem von Wolkenstreifen überzogenen blaßgrünen Himmel dehnte sich nach Osten hin die unendliche graue Steppe aus, ohne Baum und Strauch, nur Weite und verschwimmender Horizont, doch selbst diesen Anblick, der ihn sonst eher beängstigte, begrüßte Lauscher diesmal als ein Zeichen, daß er seinem Ziel wieder ein Stück näher gekommen war. Bei den Karpfenköpfen blieb er nur für eine Nacht und ritt gleich am nächsten Morgen in aller Frühe weiter, obwohl seine Gastgeber ihm in den Ohren lagen, wenigstens für eine Woche bei ihnen auszuruhen. Als er ihre Bitte abschlug, sah Lauscher die Trauer in den blaßblauen Augen der Karpfengesichter, aber seine Sehnsucht nach Narzia war stärker und trieb ihn weiter. Und als schließlich der Braune Fluß nach Westen abbog und statt seiner die Berge herantraten, wußte Lauscher, daß er nur noch wenige Tage zu reiten hatte und konnte kaum noch schlafen, wenn er sich zur Nacht unter einem schützenden Gebüsch in seine Decke gewickelt hatte.
Endlich nach einer weiteren Woche sah er dann gegen Abend die Siedlung von Arnis Leuten wieder vor sich liegen, genauso wie damals, als er sie auf der Flucht vor den Beutereitern zum ersten Mal zwischen Büschen und Bäumen hatte auftauchen sehen. Auch diesmal war er erschöpft von dem langen Ritt, doch selbst wenn er das Krüglein mit dem Saft, der für eine Stunde Kraft verlieh, jetzt bei sich gehabt hätte, wäre er nicht in Versuchung geraten, davon zu kosten; denn er gedachte jeden Augenblick dieser Ankunft zu genießen, und das nicht nur für eine Stunde. Es waren viele Leute auf der Dorfstraße, als er zwischen den Gebäuden auf Hönis Haus zuritt, und er bemerkte mit Befriedigung und Stolz die bewundernden Blicke, mit denen sie den schwarzen Hengst musterten. Vor Arnis Hütte stieg er ab und verbeugte sich tief, wie es sich gehörte. Doch er war zu ungeduldig, um allzu lange in dieser Stellung zu verharren oder gar zu warten, bis Höni seinen massigen Körper neben ihm aufbaute und seinerseits leise stöhnend die Strapaze der ehrfurchtsvollen Verneigung auf sich nahm. Also richtete sich Lauscher bald wieder auf und wendete sich dem Haus von Arnis Stellvertreter zu, in dem Narzia auf ihn wartete. Höni trat eben aus der Tür und kam ihm entgegen.
»Da bist du ja wieder«, sagte er und rieb sich die Hände. »So früh hätte ich dich nicht zurückerwartet. Und Erfolg hast du auch gehabt wie ich sehe. Ein schönes Pferd hast du mitgebracht, ein wahrhaft schönes Pferd!«
»Das beste, das bei den Falkenleuten zu bekommen war«, sagte Lauscher. »Es ist der edelste Zuchthengst des Großmagiers von Falkenor.«
»Du hast dich als recht nützlich erwiesen«, sagte Höni. »Ich denke, die Versammlung der Ältesten wird der gleichen Meinung sein und auch die dritte Aufgabe als gelöst betrachten. Komm jetzt ins Haus! Ich habe nichts dagegen einzuwenden, wenn du Narzia jetzt eine bestimmte Frage stellst.« Und dann rief er einen Knecht herbei
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