Stein und Flöte
und gab ihm den Auftrag, die beiden Pferde in den Stall zu führen und gut zu versorgen.
Lauscher war ein wenig ernüchtert von diesem Empfang. Sicher, Höni hatte sich zufrieden gezeigt und sich sogar ein Lob abgerungen, aber eigentlich hätte das alles anders ablaufen sollen, obwohl Lauscher nicht genau hätte sagen können wie. Feierlicher? Herzlicher? Heimkehr eines tapferen Kriegers aus der Schlacht (die Freudentränen in den Augen der Daheimgebliebenen enthalten noch einen Rest der um des Helden willen erlittenen Ängste)? Narzia hätte wenigstens vor das Haus kommen können, dachte er. Wem zuliebe hatte er denn diese lange Reise unternommen? Sicher nicht wegen dieses selbstzufriedenen dicken Mannes, der dem schönen Pferd noch schnell mit der Geste eines Roßhändlers, der eben ein gutes Geschäft abgeschlossen hat, den schlanken Hals tätschelte, ehe der Knecht es am Halfter durch die Einfahrt führte.
Lauscher wunderte sich über sich selbst. Was wollte er eigentlich? Er war zurückgekommen, hatte seine Probe bestanden, und nichts mehr würde ihn von Narzia trennen können. Dennoch fühlte er sich auf eine schwer zu überwindende Weise mißgelaunt, als er hinter der fülligen Gestalt von Arnis Stellvertreter auf das Haus zu trottete.
Vor der Stubentür blieb Höni stehen und sagte zu Lauscher: »Dort drinnen wartet jemand auf dich«, nickte ihm bedeutungsvoll zu und begann dann in irgendwelchen Gegenständen auf dem Deckel einer Truhe zu kramen, offenbar um den Eindruck zu erwecken, daß er nicht mit in die Stube zu gehen gedachte, aber der Dinge warten wolle, die sich dort drinnen ereignen würden. Lauscher war schon des öfteren mit Narzia allein gewesen, aber diese Art, wie ihr Vater ihn jetzt dazu aufforderte, hatte etwas Kupplerisches an sich, das ihm peinlich war. Er schickt mich zu ihr hinein wie einen Hengst, den er für seine Stute ausgesucht hat, dachte er und wäre am liebsten davongelaufen. Doch dann konnte er die erwartungsvollen Seitenblicke Hönis nicht mehr ertragen und öffnete die Tür.
Narzia stand am Fenster und drehte sich um, als Lauscher eintrat. Anfangs konnte er gegen das einfallende Licht nur den Umriß ihrer schmalen Gestalt ausnehmen, doch dann kam sie auf ihn zu, und mit jedem Schritt wurde ihr Gesicht deutlicher erkennbar, bis auch ihre grünen Augen die Verschattung durchbrachen und ihn anblickten. Ihre Züge erschienen ihm vertraut und doch anders, als er sie in Erinnerung gehabt hatte. Für einen Augenblick meinte er, dem Großmagier gegenüberzustehen, aber dann lächelte Narzia, und das war dann doch wieder sein Falkenmädchen, von dem er in den vergangenen Wochen immer geträumt hatte.
»Hast du den schwarzen Hengst gesehen?« fragte er.
»Ein hübsches Pferd«, sagte sie. »So habe ich mir die Pferde von Falkenor vorgestellt.«
Was reden wir hier von Pferden? dachte Lauscher, obwohl er selbst davon angefangen hatte. Er schluckte nervös und sagte dann: »Dein Vater ist der Meinung, daß ich damit auch meine dritte Aufgabe erfüllt habe.«
»In den Augen der Ältesten mag das zutreffen«, sagte Narzia und blickte ihn erwartungsvoll an.
»In deinen jedoch nicht«, sagte Lauscher. »Das habe ich nicht anders vermutet.« Er griff in die Tasche, zog den Smaragdring hervor und hielt ihn ihr hin. »Das schickt dir dein Großvater, der jetzt den Titel des Großmagiers trägt.«
Narzia blickte auf den Ring, und ihre Augen glichen in diesem Augenblick dermaßen dem funkelnden Smaragd in dem goldenen Falkenkopf, daß Lauscher sich fragte, ob es der Abglanz des Steins sei, der sich in ihren Augen widerspiegelte. »Der Falkenring!« rief sie. »Du hast ihn wirklich gebracht!« Sie steckte den Ring an den Finger, legte Lauscher die Arme um den Hals und küßte ihn auf den Mund. Nun war plötzlich doch alles so, wie er es sich erträumt hatte. Er stand wie vom Donner gerührt, und als es ihm schließlich in den Sinn kam, sie seinerseits in die Arme zu nehmen, hatte sie sich schon wieder von ihm gelöst, und dabei hatte er ihr noch nicht einmal jene Frage gestellt, auf die Höni vorhin angespielt hatte. Lauscher ergriff Narzias Hand, als befürchte er, das Mädchen könne ihm wieder einmal davonlaufen, und sagte hastig: »Willst du jetzt meine Frau werden, Narzia?«
Narzia blickte ihn verwundert an und sagte: »So ist es doch besprochen, Lauscher. Zwar werden die Ältesten morgen noch ein paar weise Sprüche dazu sagen wollen, doch sie werden nichts mehr dagegen einwenden
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