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Stein und Flöte

Stein und Flöte

Titel: Stein und Flöte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Bemmann
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Lauscher. »Nur mit dem Bogen.«
    »Vögel?« fragte der Großmagier.
    »Kaum«, sagte Lauscher. »Vor allem Wölfe. Das ist wohl auch leichter.«
    »Aber auch gefährlicher für den Jäger«, sagte der Großmagier. »Die Falkenjagd ist eher ein Spiel, dessen Regeln man allerdings gut beherrschen muß. Du kannst nur den Zeitpunkt des Kampfes bestimmen, indem du deinen Falken zur rechten Zeit auffliegen läßt. Der Kampf selbst findet dann ohne dein Zutun statt; du bist nur noch Zuschauer und vertraust dein Glück der Geschicklichkeit deines Falken an. So sehen es jedenfalls viele Leute. Es kann aber auch sein, daß deine Seele mit dem Falken fliegt und sich frei von den Beschränkungen deines Körpers in den Kampf stürzt, und das ist es wohl, was der Falkenjagd erst Reiz und Würde verleiht.« Und dann gab er Lauscher Anweisungen, wie er sich verhalten solle, wenn er den Falken auf die Faust nahm.
    Als sie auf ein Ufergehölz am Braunen Fluß zuritten, erinnerte sich Lauscher an Narzias Erzählung. Wenn sie den Bericht ihres Vaters richtig wiedergegeben hatte, dann mußte dies dasselbe Pappelwäldchen sein, an dem Höni seinen Silberreiher gejagt hatte. Sobald sie den Schatten der hohen Bäume erreicht hatten, stiegen sie ab, und der Pferdeknecht rammte den Tragstock in den Boden. Er hielt auch die Falkenhandschuhe für die Jäger bereit, und dann nahm jeder seinen Jagdvogel auf die Faust. Die erste Jagd gehörte dem Herrn von Falkenor. Er wartete, bis der Reitknecht ein paar Reiher aus den Bäumen aufgescheucht hatte, und warf seinen Falken in die Luft. Das kräftige, weißgefleckte Tier stieg rasch in die Höhe, suchte seine Beute unter den abstreichenden Reihern, stieß zu, und dann sanken die beiden Vögel wie ein einziges, vierfach geflügeltes Wesen in einem Wirbel flatternder Schwingen und kreisender Flaumfedern langsam zu Boden.
    Nun war Lauscher an der Reihe. Der Großmagier ging mit ihm ein Stück flußaufwärts, während der Reitknecht sich ins Ufergebüsch schlug, um nach weiterer Beute Ausschau zu halten. Sie hörten ihn durch das Unterholz brechen, dann stieß er einen Schrei aus, und im nächsten Augenblick flogen drei Reiher mit klatschenden Flügelschlägen aus den Baumkronen auf. Lauscher streifte seinem Falken die Kappe ab und schleuderte ihn in die Höhe, fast etwas zu hastig, denn der Vogel flatterte zunächst taumelnd über seinem Kopf, bis er sein Gleichgewicht fand und sich in die Höhe zu schrauben begann. Lauscher folgte ihm mit den Blicken und konnte fast körperlich fühlen, wie die weitgespreizten Schwingen den Widerstand der Luft aufnahmen und den Falken auf seine Beute zutrugen; nach wenigen Augenblicken schwebte er schon schräg über dem letzten der Reiher, die in weitem Bogen wieder die rettenden Uferbäume zu erreichen suchten, und dann stieß er in steilem Sturz herab. Lauscher spürte, wie seine Finger sich zusammenkrallten, als sei er selbst es, der seine Fänge in das schimmernde Gefieder schlagen müsse, und dann hatte der Falke die Beute auch schon gepackt und trudelte vereint mit ihr zu Boden. Lauscher hatte den Atem angehalten wie bei einer krampfhaften Anstrengung und stieß hörbar die Luft aus, als der Kampf zu Ende war und der Reiher zuckend unter dem Falken im Gras lag.
    Nachdem auch der Hüter der Falken sein Jagdglück versucht hatte, ohne daß sein Falke zum Schlagen gekommen wäre, gingen sie zu ihren Pferden zurück und setzten sich ins Gras. Der Reitknecht hatte ihnen zuvor die Falken abgenommen, sie wieder auf den Tragstock gesetzt und belohnte sie jetzt mit ein paar Fleischbrocken. Dann holte er aus der Packtasche seines Pferdes Brot und kalten Geflügelbraten und legte den Jägern vor.
    Während sie aßen, sagte der Großmagier zu Lauscher: »Ich habe dich beobachtet, als dein Falke stieg. Jetzt verstehst du wohl, was ich dir vorhin über den Reiz dieser Jagd gesagt habe.«
    »Ich habe es gespürt«, sagte Lauscher. »Auch Höni hat wohl Ähnliches erlebt, als er mit deiner Tochter hier gejagt hat. Narzia hat mir bereits davon erzählt.«
    »Das mag sein«, sagte der Großmagier, »wenn auch die Umstände wohl noch etwas anders gewesen sein dürften.«
    Das waren sie ohne Zweifel, dachte Lauscher und wünschte sich, mit Narzia hier auf die Falkenjagd zu reiten und wie damals Höni seine Beute in den Armen zu halten.
    Als sie gegessen hatten, stand der Hüter der Falken auf und sagte, er wolle mit dem Reitknecht noch ein Stück am Fluß entlang gehen und

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