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Stein und Flöte

Stein und Flöte

Titel: Stein und Flöte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Bemmann
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über in einen dumpfen, eintönigen Singsang und endete mit einer hell klingenden, fast tänzerischen Melodie, die Lauscher am liebsten weitergesungen hätte.
    »Nun«, fragte der Sanfte Flöter, »was hat er dir erzählt?«
    »Wie soll ich das verstehen können?« fragte Lauscher. »Ich habe nur Töne gehört.«
    »Nur Töne?« sagte der Sanfte Flöter. »Reicht dir das nicht? Du bist ziemlich schwer von Begriff. Hör dir’s genau an und achte darauf, was du dabei empfindest. Erzähl’s ihm noch einmal, Barlo, und übertreibe ein bißchen! Sein Herz ist noch nicht reif für Feinheiten.«
    Barlo wiederholte sein Spiel, und Lauscher versuchte, die Klänge und Rhythmen auf sich wirken zu lassen. Während die schrillen Tonfolgen des ersten Teils ihn mit ihren wilden Sprüngen erregten, sagte er plötzlich: »Ich empfinde Zorn.« Der Sanfte Flöter nickte, und als das auf wenige Tonschritte beschränkte, in sich kreisende Motiv des zweiten Teils begann, fragte er: »Was spürst du jetzt?«
    »Das macht mich traurig«, sagte Lauscher und wartete gespannt, bis die Melodie zum letzten Teil anstieg und ausschwang. »Ich fühle Anregung, Interesse und erkenne Gesetzmäßigkeiten«, sagte er, als Barlo zu Ende gespielt hatte.
    »Siehst du, daß man Barlos neue Sprache verstehen kann?« sagte der Sanfte Flöter zufrieden. »Er ist nicht mehr stumm. Du hast genau übersetzt, was er dir sagen wollte: Zuerst war er zornig, in diesem Schloß unter der Hexe dienen zu müssen, dann versank er in dumpfe Trauer und nahm kaum noch wahr, was um ihn vorging; endlich aber lernte er zuzuhören, begann zu begreifen, was hier geschah, und spielte das Spiel auf seine Weise mit. Was ihn das gekostet hat, weißt du nur zu gut.«
    Als er sah, daß sich Barlos Miene wieder verfinsterte, sagte er zu ihm: »Du sollst nicht länger bedauern, was geschehen ist. Hast du noch nicht begriffen, daß du dadurch einen neuen Weg finden wirst?« Und dann nahm er Barlo die Flöte aus der Hand und hob sie an die Lippen. Er spielte noch einmal den letzten Teil von Barlos Erzählung, doch diesmal ließ er ihn nicht ausklingen wie zuvor sein Schüler, sondern spann ihn weiter, verknüpfte die Motive zu neuen Figuren, zu einem auf- und abschwingenden Gewebe von Tönen, das sich frei aus den ersten Keimen entfaltete und dabei einer klaren Regel folgte, die Lauscher um so deutlicher erkannte, je länger er zuhörte. Und während er dieser Musik lauschte, verstand er – wenigstens für diese kurze Zeit –, daß alles, was bisher geschehen war, sich in ein Grundmuster einfügte, das er allerdings weder hätte festhalten noch beschreiben können. Aber es war da, und er spürte es noch, als die Flöte längst verstummt war.
    »Das war ein gutes Motiv, das du da gefunden hast, Barlo«, sagte der Sanfte Flöter. »Du hast viel gelernt in diesem Winter. Es wird Zeit, daß ihr euch auf den Weg macht.«
    Lauscher blickte ihn betroffen an. Auf was für einen Weg sollte er sich machen? Sein Großvater sprach dies ganz selbstverständlich aus. »Eigentlich hatte ich mir vorgestellt, länger bei dir zu bleiben«, sagte er enttäuscht. »Wo könnte ich sonst besser das Zuhören lernen?«
    »Ach was«, sagte der Großvater, »da gibt es viel wirkungsvollere Methoden. Wenn du dich in Barleboog nicht hättest aufhalten lassen, wäre vielleicht darüber zu reden gewesen, aber auch dann hätte ich dich nicht allzu lange hier behalten. Was kannst du schon lernen bei zwei alten Leuten wie uns? Außerdem bist du in Barleboog Verpflichtungen eingegangen, denen du dich jetzt nicht mehr entziehen kannst.«
    »Was für Verpflichtungen?« fragte Lauscher. »Ich bin froh, daß ich dieser Hexe entkommen bin.«
    »Das mag schon sein«, sagte der Sanfte Flöter, »obwohl auch darüber noch nicht das letzte Wort gesprochen ist. Aber vor dem, was du dort getan hast, kannst du nicht davonlaufen.«
    »Wohin soll ich überhaupt gehen?« fragte Lauscher.
    »Das kommt darauf an, wohin Barlo gehen wird«, sagte der Sanfte Flöter. »Ich meine, du solltest ihn begleiten, und zwar als sein Diener. Er hat bei mir wohl ein bißchen Flötenspielen gelernt, aber es wird noch einige Zeit dauern, bis er seine Kunst so verfeinert hat, daß jedermann seine Sprache verstehen kann. Du wirst zunächst vor allem sein Dolmetscher sein, wenn er mit den Leuten reden will. Aber du müßtest ihm auch sonst in allem gehorchen, was er dir aufträgt.«
    »Und wie lange soll ich der Diener eines ehemaligen Pferdeknechtes

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