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Stein und Flöte

Stein und Flöte

Titel: Stein und Flöte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Bemmann
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aus dem Schatten des großen Baumes. Da hörte er wieder dieses helle Lachen, und eine Stimme rief: »Ein Faun! Ein Faun! Kommt zu mir, Schwestern! Ein Faun!« Und da fand er sich auch schon eingekreist von dem Wirbel der tanzenden Schwestern, stand auf der taufeuchten Wiese wie ein Klotz, drehte sich, um eine der Gestalten ins Auge zu fassen, doch er war nicht schnell genug und verlor sie immer wieder aus dem Blick. Da streckte er die Arme aus und rief: »Kommt her! Bleibt bei mir! Seid meine Herde!«
    Als sie das hörten, wollten sich die Schwestern schon wieder ausschütten vor Lachen, zogen ihren Kreis immer enger um ihn, daß ihm ganz schwindelig wurde von dem drehenden Strudel ringsum, und unter all dem Gelächter hörte er sie rufen: »Tanz mit uns! Dann bleiben wir bei dir, Faun!«
    Das ließ er sich nicht zweimal sagen. Schon setzte er mit einem wilden Bocksprung mitten unter die Mädchen, daß sie kreischend auseinanderstoben, spürte, wie Körperhaftes seine haarige Haut streifte, rannte einer der Schwestern nach, die mit wehendem Haar vor ihm herlief, doch gleich darauf waren es schon wieder drei, die sich bei den Händen faßten, ihn umtanzten und dabei so nahe kamen, daß ihre Lippen seinen Mund fast streiften, dann flogen sie lachend zwischen den dunklen Büschen davon, daß er ihnen nachrennen mußte, um sie nicht aus den Augen zu verlieren, fand sich im nächsten Augenblick inmitten der lachenden Schar, und ließ sich zur Abwechslung von den Schwestern jagen, die zugleich hinter ihm, neben ihm und überall waren und ihn an den Zotteln seiner böckischen Hüften zupften, ohne daß er auch nur eine von ihnen zu fassen bekommen hätte, so schnell er auch herumfuhr.
    Als er wieder einmal auf dem Huf kehrtgemacht hatte, sah er, daß nur noch eine einzelne Gestalt auf das nahe Gebüsch zulief. Er rannte los, was seine Bocksschenkel hergaben, holte auf und wäre beinahe gestolpert, als die Gestalt dicht vor den Schatten der Erlen plötzlich stehenblieb, sich umdrehte und ihm entgegenblickte. Das Herz klopfte ihm bis zum Halse, während er die letzten Schritte machte und dann dicht vor ihr stand. Die Farbe ihrer Augen ließ sich noch immer nicht feststellen, aber ihm war zumute, als schlüge ihr Blick über ihm zusammen, als er die Arme ausbreitete und um ihre Schultern legte. Für die Zeit eines Lidschlags spürte er den glatten, weichen Körper auf seinem Fell und auf seinem Mund Lippen, die nach dem Frühlingssaft der Birken schmeckten, und dann hielt er einen schrundigen Baumstamm in den Armen, dessen Rinde zwischen den schwarzen Rissen weiß und seidig, aber auch kühl und hart unter seinem Mund lag.
    Das Mädchen war jedenfalls verschwunden. Oder es hatte sich verwandelt, eine Art Baum-Mädchen vielleicht, das zeitweise seine Gestalt wechselte. Da hatte er sich eine sonderbare Herde gesucht, dieser täppische Faun, der noch immer eine schmächtige Birke in den Armen hielt und meinte, sie müsse ihm zuliebe wieder weich und anschmiegsam werden. Aber damit war es nichts, nur der Wind spielte jetzt wieder in den Blättern, und das klang ihm so in den Ohren, so, als würde hier irgendeiner ausgelacht.
    Da blieb ihm nichts anderes übrig, als mitzulachen. Er drückte zum Abschied einen schnalzenden Schmatz auf die glatte, helle Rinde, hockte sich an den Fuß des Stammes und schaute sich um. Überall standen die Birken jetzt wieder still und hochgereckt zwischen den dunklen Büschen, als hätten sie ihre Plätze nie verlassen. Seine Herde. Vielleicht hatten sie sich nie von der Stelle gerührt. Sonderbare Träume waren das hier in diesem Tal, dachte er, während er aufstand und langsam zu dem Ahornbaum zurücktrottete, dessen Krone wie eine ungeheure schwarze Wolke vor dem Nachthimmel stand. Sonderbare Träume. Aber gefallen hatte es ihm doch. Er legte sich wieder ins Gras und versuchte sich die tanzenden Schwestern vorzustellen, bis ihm die Augen zufielen.
    In den nächsten Tagen trieb er sich in den Wäldern längs des Wiesentales herum und schlief nachts in der Nähe von Birken, immer in der Hoffnung, wieder den tanzenden Schwestern zu begegnen, aber sie stellten sich nicht ein. Dabei geriet er nach und nach immer weiter talabwärts, und als er einmal in die Nähe des Waldrandes kam, sah er draußen auf dem flachen Talboden die Pferde weiden, hochbeinige, starkknochige Tiere, die sich grasend langsam über die Wiese bewegten und mit dem Schweif nach Fliegen schlugen. Dann hörte er Stimmen und entdeckte

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