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Stein und Flöte

Stein und Flöte

Titel: Stein und Flöte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Bemmann
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Händlern gar nicht erst einlassen sollen. Auch die Goldschmiede in Arziak klagen schon darüber, daß Arnis Leute nicht mehr die guten Preise zahlen wollen, die sie anfangs versprochen haben. Ich sage dir: Dieser Flöter hat uns damals alle hereingelegt!«
    Während Steinauge diesem Gespräch zuhörte, stiegen verworrene Bilder in ihm auf, ein Platz zwischen Blockhäusern etwa, die rings um eine altersgraue Hütte standen, aber er konnte sich nicht erinnern, wo er dergleichen schon einmal gesehen hatte. Und als der Alte jetzt diesen Flöter erwähnte, fühlte sich der Lauscher auf merkwürdige Weise betroffen, als würden ihm hier Vorwürfe gemacht, ohne daß er einen Grund dafür finden konnte. Er hatte auch wenig Zeit, darüber nachzugrübeln, denn der Junge setzte seine Erzählung fort und sagte: »Es wundert mich nicht, daß Arnis Leute jetzt weniger für die hübschen Sachen unserer Goldschmiede zahlen. Warum sollten sie für teures Geld kaufen, was man ihnen billiger ins Haus bringt?«
    »Woher denn?« fragte der Alte. »Hier gibt’s doch weit und breit keine Goldschmiede außer in Arziak.«
    »Man muß ja nicht unbedingt beim Hersteller kaufen«, sagte der Junge. »Ich will dir erzählen, wie das zugeht: Während wir bei Arnis Leuten waren, kam von der Steppe her eine Horde von Beutereitern geritten. Wir waren schon drauf und dran, uns in die Berge zu machen, als uns auffiel, daß die Dorfbewohner überhaupt keine Angst zeigten, sondern ihren wilden Verwandten neugierig entgegenblickten, als käme lieber Besuch. Und als wir einen der Leute fragten, warum er sich keine Sorgen mache, lachte er nur und sagte: ›Man merkt, daß ihr ahnungslose Berghirten seid. Habt ihr noch nicht davon gehört, daß die Pferde der Beutereiter friedlich geworden sind? Sobald man sie zum Angriff treibt, machen sie kehrt und reißen aus. Nicht einmal zur Jagd sind sie zu gebrauchen. Und ohne Pferd ist ein Beutereiter nur noch ein halber Krieger, den man nicht zu fürchten braucht.‹ Erst konnten wir das gar nicht glauben, aber es schien tatsächlich zu stimmen; denn die Horde hielt etwa zwei Pfeilschuß entfernt vom Dorf an, und nur drei Reiter, von denen jeder ein beladenes Packpferd führte, kamen heran und hielten die flache Hand erhoben, damit man sehen konnte, daß sie nichts Böses im Schilde führten. Sie wurden in Narzias Haus gebracht, und ich weiß natürlich nicht genau, was dort verhandelt wurde. Aber aus allem, was nachher geschah, kann ich mir die Sache schon zusammenreimen: Da die Horde sich ihren Lebensunterhalt nicht mehr durch Beutezüge zusammenrauben konnte, fingen die Leute in ihrem Lager an zu hungern. Und nun waren sie gekommen, um ihren kostbaren Schmuck, den sie jahrelang zusammengestohlen oder ausnahmsweise vielleicht auch einmal gekauft hatten, gegen Korn, Bohnen und Fleisch einzutauschen. Die Ledersäcke, die von den drei Reitern in Narzias Haus geschleppt wurden, waren jedenfalls ziemlich schwer und so voll, daß oben am Rand goldene und silberne Ketten heraushingen. Später, als die Männer zusammen mit Narzia wieder aus der Tür traten, befahl diese grünäugige Hexe ihren Leuten, die Packpferde mit Vorräten zu beladen. Offenbar hatten Arnis Leute wenig Vertrauen zu ihren Verwandten; denn mehr als drei Beutereiter ließen sie nicht in ihr Dorf, und so mußten die drei Männer wohl ein Dutzend Mal oder noch öfter beladene Pferde zu ihrer Horde hinausführen und frische Pferde holen, bis alles aufgepackt war, was sie bekommen hatten. Spaß hat ihnen dieser Tauschhandel bestimmt nicht gemacht. Ich habe mir die drei Reiter angesehen: Sie bissen grimmig auf ihre Schnurrbärte, die mageren Gesichter weiß vor Wut, und blickten über die grinsenden Dorfbewohner hinweg, als stünden nur ein paar Hammel am Weg. Ich habe für Beutereiter nie viel übrig gehabt, aber als ich das sah, taten sie mir fast leid.«
    »Das ist eine üble Geschichte, die du da erzählst«, sagte der Alte. »Arnis Leute sollten eigentlich wissen, wozu ein Beutereiter fähig ist, wenn er in Wut gerät. Je länger ich darüber nachdenke, desto mehr macht mir diese Geschichte Angst.«
    »Mir war auch nicht recht wohl«, sagte der Junge. »Aber Narzia schien sich keinerlei Sorgen zu machen. Als die Männer zum letzten Mal davonritten, rief sie ihnen in ziemlich herrischem Ton etwas nach, worauf einer der Männer sich umdrehte und ihr etwas zuschrie, das wie ein Schimpfwort klang. Dann spuckte er aus und ritt den anderen nach. Einer von

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